Hertha BSC gehört den Fans und Mitgliedern!

Wir haben uns bislang kaum öffentlich zum Einstieg von Investor Lars Windhorst in die ausgegliederte Profiabteilung unseres Vereins geäußert. Die aktuellen Verwerfungen rund um den peinlichen Rücktritt via Facebook von Cheftrainer Jürgen Klinsmann und die sich immer stärker definierende Rolle von Lars Windhorst zwingen uns nun, das Thema offensiver anzugehen. Eine erste Reaktion zeigte die Kurve beim Auswärtsspiel in Paderborn mit einer kleinen Choreo rund um die kleine Ostkurven-Zaunfahne: „Wir wollen Fussball mit Herz und Seele ohne Konzerne und Milliardäre!“. Dass wir hier von einem Idealzustand reden, der aktuell in weiter Ferne ist und auch vermutlich nie wieder im Profifußball zu erreichen sein wird, ist uns an dieser Stelle klar.

Der Einstieg von Lars Windhorst ist nicht der erste Einstieg eines Investors in die ausgegliederte Kommanditgesellschaft bei Hertha BSC. Bereits Anfang 2014 verzeichnete Hertha den ersten Einstieg eines Investors, nämlich den des amerikanischen „Beteiligungsunternehmens“ KKR. Eine öffentliche Auseinandersetzung vonseiten der aktiven Fanszene erfolgte damals zugegebenermaßen kaum. Zwar äußerten wir uns zu Beginn des Investments kritisch in diese Richtung, im weiteren Verlauf wurde es jedoch relativ ruhig um dieses Thema. Allerdings wurde dies maßgeblich dadurch bedingt, dass man von KKR in den folgenden 5 Jahren der strategischen Partnerschaft nichts mitbekam. KKR zahlte Hertha 2014 Geld für 9,7% der Anteile an der KgaA und erhielt 2018 Geld zurück. In sportliche Belange oder andere Themenfelder mischte sich die Finanzheuschrecke von der Wall Street nicht ein. Vermutlich auch bedingt dadurch, dass KKR eines ihrer wenigen „seriösen“ Geschäfte neben unzähligen Spekulationsinvestments als sichere Bank ruhig nebenher wollte laufen lassen.

Lars Windhorsts Einstieg unterscheidet sich insofern vom KKR-Deal, als dass die bisher geflossenen Summen (225 Millionen Euro) Hertha BSC als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Zurückzahlen muss Hertha diesen dreistelligen Millionenbetrag vorerst nicht. Im Portfolio des Herrn Windhorst erscheint das Investment bei Hertha darüber hinaus als eines der kleineren Investmentobjekte des ehemaligen „Wunderkinds“ der deutschen Wirtschaft. Ebenso ist der Weg wirtschaftlich gesehen der vermutlich sinnvollere als der Verkauf und Rückkauf verschiedener Vermarktungsrechte, wie er von Hertha BSC zu Beginn des Jahrtausends begangen wurde. Insofern scheint es Hertha BSC rein finanziell noch besser erwischt zu haben als im Januar 2014. Dass Lars Windhorst aufgrund der investierten Summe das Treiben im Verein stumm begleitet, ist wiederum kaum zu glauben.

Und so bot sich den Anhängern der Alten Dame im November 2019 ein neues Bild. Der Investor etablierte mit Jürgen Klinsmann eine bekannte Persönlichkeit aus der Welt des Fußballs, immerhin den „Macher des Sommermärchens“, als Teil des Aufsichtsrats bei Hertha BSC. Denn durch die Übernahme von inzwischen 49,9% der Anteile stehen Lars Windhorst im Aufsichtsrat der KgaA 4 von 9 Sitzen zu. Keine drei Wochen später wurde Jürgen Klinsmann zum Cheftrainer, nachdem mit Ante Covic ein waschechter Herthaner seinen Job verlor, denn die Mannschaft rutschte immer tiefer in den Abstiegskampf hinein. Nun, wieder keine drei Monate später, steckt die Mannschaft noch immer im Abstiegskampf und Jürgen Klinsmann ist Geschichte.

Nach Klinsmanns peinlichem Abgang und seiner in sozialen Medien inszenierten Schlammschlacht, berief der Verein eine Pressekonferenz ein. Auf dem Podium: Michael Preetz, Werner Gegenbauer und Investor Lars Windhorst. Es zeigte sich hier ein Bild, welches für uns untragbar ist. Lars Windhorst hat sich in sportliche Belange nicht einzumischen, und er ist für uns keiner der „Bosse“ von Hertha BSC. Diese Rolle, die ihm von den Medien im Nachgang dieser Pressekonferenz bereitwillig angehängt wurde und die ihm, vermutlich im Wunsch Einigkeit und Ruhe auszustrahlen, von den Verantwortlichen bei Hertha BSC leichtfertig vor die Füße geworfen wurde, ist vielleicht aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten logisch, da kein Investor Geld zu verschenken hat. Der Verein Hertha BSC gehört jedoch uns, den Fans und Mitgliedern. Wenn Windhorst offen davon spricht, sich nicht weiter einmischen zu wollen, solange alles so läuft, wie er es für richtig halte, zeigt sich nicht nur ein verzerrtes Demokratieverständnis hinsichtlich der Kompetenzverteilung in unserem Verein, es muss auch für uns Herthaner ein Weckruf sein! Dieser Mann verfolgt vielleicht langfristige Ziele, diese sind aber in erster Linie positiv für ihn und sein Investment, gleich ob er das öffentlich zu dementieren versucht. Das ist keine Dämonisierung, sonder schlicht wirtschaftlicher Realismus.

Der Streit rund um den Abgang von Jürgen Klinsmann offenbart eindeutig, wo wir ein gewichtiges Problem sehen: Mit der Etablierung eines engen Vertrauten des Investors als Cheftrainer bietet sich dem Investor die wohl größtmögliche sportliche Einflussnahme. Hierdurch läuft der operative Bereich Gefahr, nicht mehr in die Hoheit des Vereins zu fallen. Dass mangelnde Kompetenzen aus der Sicht des Cheftrainers ausschlaggebend für Jürgen Klinsmanns Rücktritt waren, zeigt wohin die Reise gehen kann. Ein Vertrauter des Investors auf einer nahezu allmächtigen Position für den sportlichen Bereich – Hertha BSC finanziell und sportlich das Spielzeug eines Superreichen! Um diesem Horrorszenario entgegenzuwirken, sind mehrere Punkte enorm wichtig. Die Verantwortlichen im Verein haben richtig gehandelt, als sie Jürgens Klinsmanns Wunsch nach mehr Kompetenzen widersprachen. Dies muss definitiv auch in Zukunft geschehen! Die Hoheit über sportliche Belange muss beim Verein bleiben, auch wenn der Trainer bei Transfers natürlich ein Mitspracherecht hat.

Es gilt nun, die Geschehnisse rund um Hertha BSC aufmerksam im Auge zu behalten. Hertha BSC scheint sich, trotz anders lautender Beteuerungen, von der nachhaltigen Finanzpolitik der vergangenen Jahre zu verabschieden, denn knapp 100 Millionen Euro Ablösesummen in Sommer und Winter sprechen eine eindeutige Sprache. Diese Rekordtransfers dürfen nicht sinnlos abgefeiert werden. Vielmehr müssen die richtigen Fragen gestellt werden: Wer bezahlt langfristig die neuen, hohen Spielergehälter, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt? Denn das System scheint spekulativ: Investieren und die hohen Ausgaben durch gute Platzierungen in Liga und Pokal und Teilnahme an europäischen Wettbewerben auszugleichen. Aktuell sieht es allerdings nicht nach der herbeigesehnten goldenen Zukunft aus, denn Hertha BSC steht mit gerade einmal 26 Punkten aus 22 Partien auf dem 13. Tabellenplatz und ist auf jeden Punkt im Abstiegskampf angewiesen.

Wir Ultras wollen darüber hinaus der 50+1-Regel bei Hertha BSC zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Da diese Regel, dass die Anteilsmehrheit beim eingetragenen Verein zu liegen hat, nur über die Mitgliederversammlung von Hertha BSC geändert werden kann, sehen wir es darüber hinaus als wichtige Aufgabe an, die Mitglieder von Hertha BSC für dieses Themenfeld zu sensibilisieren. Darüber hinaus erwarten wir auch von den Vereinsverantwortlichen das Ende ihres unklaren Schlingerkurses und endlich eine klare, unmissverständliche Positionierung zugunsten der 50+1-Regel.

Wir müssen uns als Ultras ehrlich eingestehen, dass wir in dem Moment, als wir die 50+1-Regel öffentlichkeitswirksam propagiert haben, die aktuelle Situation bei Hertha BSC, 49,9% der Anteile in Investorenhand, akzeptiert haben. Frei nach dem Motto „lieber das kleinere Übel“, wie es etwa auch mit der 300-Kilometer-Regelung für Auswärtsspiele abseits des Samstags versucht wurde. Die 50+1-Regel ist für uns kein Idealzustand, sie ist die Minimalanforderung, die wir an den modernen Fußball überhaupt noch stellen können. Sie ist unantastbar und unverhandelbar! Dahingehend erwarten wir eine Positionierung der Geschäftsführung von Hertha BSC!

Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können. Das, was auch von uns als „moderner Fußball“ häufig und zurecht kritisiert und abgelehnt wird, ist längst Realität und die Spirale dreht sich auf verschiedenen Ebenen weiter. Bei unserem geliebten Verein hat sie nun einen Quantensprung genommen, der dazu führt, dass uns Fans, als Bewahrer des Ideellen eine noch wichtigere Rolle zukommt, als ohnehin schon. Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass wir diesen Zustand durch unsere weitere Aktivität ein Stück weit legitimieren. Diesen Widerspruch gilt es auszuhalten, wenn man als aktiver Fan in diesem ganzen Geschäft seine Hingabe für seine Farben ausleben möchte. Umso mehr ist es allerdings unsere Aufgabe, der Stachel im Hintern all derer zu sein, die daran arbeiten, dass sich diese Spirale immer schneller dreht bis am Ende gar nichts mehr von unserem Sport und unserem Verein übrigbleibt.

Informationen und Stellungnahmen dazu werden wir über unsere Kommunikationswege verbreiten: Im Stadion, im Kurvenecho, mit Spruchbändern, Fahnen, optischen Aktionen oder über unsere Webseite. In den sozialen Netzwerken wird die Meinung der Gruppe Harlekins Berlin ´98 nicht zu finden sein!

Hertha BSC gehört den Fans und Mitgliedern!

Harlekins Berlin ‘98 im Februar 2020