Notizen 2022/23

Hertha BSC – VfL Wolfsburg 0:5

Tore:
0:1 Svanberg (4.),
0:2 Arnold (31., HE),
0:3 Wind (34.),
0:4 Baku (72.),
0:5 Marmoush (87.)

Zuschauer:
29.483

Zum Spiel:
Nach der Niederlage in Bochum am vergangenen Samstag sollte es nun schon drei Tage später im Heimspiel gegen den nahegelegenen VfL Wolfsburg um wichtige drei Punkte gehen. Wer zu Hertha geht, der kennt den Selbstbetrug nur zu gut und hofft spätestens vor dem Anstoß, dass hier und heute alles besser wird als beim letzten Mal. Schon nach vier gespielten Minuten durfte man die Hoffnung aber begraben und das 0:1 vor der Ostkurve mit ansehen. Die Gäste aus Niedersachsen strahlten in der Folge viel Kontrolle und Dominanz aus, unserer Mannschaft fiel dagegen im Offensivspiel wenig bis gar nichts ein. Nach einer halben Stunde blockt Dodi Lukébakio einen Freistoß mit dem ausgestreckten Arm, den fälligen Elfmeter verwandelt Maximilian Arnold souverän und keine drei Minuten später erziel Jonas Wind sogar das 0:3 für die Wölfe. Hertha fand in der ersten Hälfte nicht statt und ging sichtlich geschockt in die Halbzeitpause.

Die wenigen anwesenden Zuschauer im Olympiastadion hofften auf den augenscheinlich dringend nötigen Weckruf in der Kabine und im ersten Abschnitt der zweiten Halbzeit wirkte unsere Mannschaft auch deutlich sicherer als im ersten Spielabschnitt. Schwarz wechselte gleich drei Mal und brachte im Anschluss deutlich mehr Intensität ins Spiel. Leider zahlte sich die bessere Leistung nicht in Tore aus und stattdessen bewies Wolfsburg seine Kaltschnäuzigkeit und erzielte mit der ersten guten Chance der zweiten Halbzeit das endgültig entscheidende vierte Tor. Kurz vor Ende der Partie durften die Gäste dann auch noch den fünften Treffer bejubeln. Der VfL steht nach zwei Spielen in 2023 mit 11:0 Toren und der vollen Ausbeute von sechs Punkten da, während es bei unserer Alten Dame deutlich schlechter aussieht: 2 Spiele – 1:8 Tore – null Punkte. Schon am letzten Spieltag rutschten wir auf den vorletzten Tabellenplatz ab und können uns nur dank gleichzeitig ähnlich hoher Niederlage der Gelsenkirchener über einen Abstand von 5 Punkten auf den letzten Tabellenplatz „freuen“. Die offiziell knapp 30.000 Zuschauer (in Wahrheit noch einmal rund 5.000 weniger) waren bedient und durften mit einem weiteren Nackenschlag in die letzten Tage vor dem Derby starten.

Ostkurve Hertha BSC:
Die Ostkurve startete die Partie mit der gewohnten Schalparade zum Einlaufen der Mannschaft und zu den Klängen von „Nur nach Hause“, dazu wurde das zweiteilige Spruchband „Hertha BSC heißt unser Verein – Identität statt Marketing um jeden Dollarschein“ gezeigt, welches parallel zu einem kurzen Text im Kurvenecho das Auftreten im Wintertrainingslager beleuchten sollte. Hertha war dort bekanntermaßen in die USA gereist und hatte dort die Werbebanden des Trainingsplatzes mit „Hertha Berlin“ beschriftet. Nicht erst seit Fahne pur und dem ungeliebten Rundlogo mit der Dopplung (Berliner Sport-Club & Berlin) sind wir sehr darauf bedacht, dass der Verein mit seinem korrekten Namen genannt und mit dem richtigen Wappen, nämlich der alleinstehenden Fahne, repräsentiert und wertgeschätzt wird. Das Spruchband war kaum unten, da lag Hertha bereits in Rückstand. Dass es unter diesen Voraussetzungen an diesem Abend kein emotionales Feuerwerk in der Kurve geben sollte, konnte man hier leider bereits erahnen. Trotzdem nahm die Ostkurve den Kampf an und versuchte bestmöglich, die Mannschaft nach dem erneuten Nackenschlag anzutreiben. Positiv hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Gesänge laut und langsam vorgetragen wurden und das Tempo häufig ideal war.

Nach einer Viertelstunde sprach sich die Hauptstadtmafia mit ein paar übrigen gesprühten Zetteln von unserer Auswärtsaktion in Stuttgart und einer Zaunfahne für die Anstoßzeit „Samstag 15:30 Uhr“ aus und trug auch dieses wichtige Anliegen noch einmal vor. Geburtstagsgrüße gingen via Spruchband von der Crew an ihre Karlsruher Freunde von den Psychos. Der Doppelschlag rund um die 30. Spielminute zog uns jedoch ganz klar den Stecker, die Hoffnung auf Besserung im weiteren Spielverlauf tendierte hier schon fast gen Null. Die Kurve verlagerte sich vermehrt in Diskussionen und Überlegungen, wie man den Karren noch aus dem Dreck und das Spiel umdrehen könnte. Kritisiert wurde auch erneut die Preispolitik von Hertha zum bevorstehenden Derby gegen Union, wo eine Karte für den Oberrang auch mal gerne 55 Euro kostet und somit für den oft beschworenen 12. Mann tendenziell kaum mehr zu bezahlen ist, von sozialer Verantwortung sprechen wir hier noch gar nicht. Die Zeit bis zum Pausenpfiff wurde dann versucht, irgendwie über die Runde zu bringen, ein strikt organisierter Support fand aber schon nicht mehr richtig statt. Die Pause wurde für weitere Diskussionen genutzt, die Fassungs- und Ideenlosigkeit aller Fans war spür- und greifbar, wie sollte man diese Truppe noch erreichen und angemessen unterstützen? Ein Gefühl der Ohnmacht waberte durch die Ostkurve, sodass auch im zweiten Spielabschnitt weite Teile Fußballschauend verbracht und nur gelegentlich Gesänge intoniert wurden.

Nach dem Spiel spielten sich vor der Kurve noch Szenen ab, die es so auch noch nicht gegeben hat: die Mannschaft stand sichtlich bedröppelt und teilweise auch sauer auf die eigene Leistung auf der Tartanbahn, die Kurve schaute stumm in Richtung der Mannschaft, verzichtete dabei aber sowohl auf Pöbeleien als auch Aufbauversuche und die Spieler warteten vergebens auf irgendeine Reaktion. In der aktuellen Situation hätten wohl weder eine knackige Ansprache zum bevorstehenden Derby noch ein Auskotzen für positive Veränderungen gesorgt, sodass man sich letztlich für den beschriebenen Weg entschied und ihn als Ostkurve auch sehr diszipliniert verfolgte.

Gäste:
Schätzungsweise 350 Anhänger aus der Frühschicht fanden sich im Gästeblock am Marathontor ein und standen geschlossen hinter den Fahnen der Wilden Wölfe, Coesione, Weekend Brothers und Green White Angels in der Mitte des Blocks. Lediglich der Trommler nahm seinen Arbeitsplatz auf dem Podest und hinter der Gedenkfahne für die beiden 2012 tödlich VfL-Fans verunglückten Hubert und Sherman ein. Trotz der geringen Anzahl angereister Anhänger hatte man ein paar größere Fahnen mitgebracht, wobei aufgrund ihrer Größe vor allem die grün-weiße „95“ der Green White Angels ins Auge stach. Optisch machte man mit dem überschaubaren Anhang das Beste draus und war aufgrund der heute häufig stillen Ostkurve auch einige Male in selbiger zu vernehmen.