Hinrunde 2015/2016
Auch in der abgelaufenen Saison 2015/2016 wurde es nie langweilig um unsere Hertha und das ein oder andere Ereignis wird jedem leidgeprüften Herthaner noch viele Jahre in Erinnerung bleiben. Um einen kleinen sportlichen Rückblick auf die vergangene Saison zu werfen, muss allerdings etwas weiter ausgeholt werden. Die vorletzte Saison schloss unsere Hertha, punktgleich mit dem Hamburger SV, auf dem 15. Tabellenplatz ab. Lediglich das bessere Torverhältnis bewahrte uns vor einem Relegationsduell mit dem Karlsruher SC, welches mit großer Gewissheit in einem erneuten Absturz in die Zweitklassigkeit geendet hätte. Es war also Zeit in der Sommerpause etwas auszumisten bzw. die Mannschaft auf einigen Positionen zu verstärken. Mehr oder weniger namhafte Abgänge wie John Heitinga (AFC Ajax), Nico Schulz (VfL Borussia Mönchengladbach) oder Peter Niemeyer und Sandro Wagner (SV Darmstadt) wurden durch interessante Neuzugänge ersetzt. Der tschechische Nationalspieler Vladimír Darida kam vom Absteiger SC Freiburg an die Spree und den zuletzt glücklosen Vedad Ibišević (71-facher Nationalstürmer Bosnien-Herzegowinas) zog es vom VfB Stuttgart zur Hertha. Des Weiteren wurden einige Jungprofis in die erste Mannschaft befördert und nebenbei konnten mit Niklas Stark aus Nürnberg und Mitchell Weiser vom FC Bayern zwei deutsche Talente an Hertha gebunden werden. Dank der desaströsen Leistungen in der Vorsaison und der mit viel Geld um sich schmeißenden Konkurrenz in der 1. Bundesliga gab es in der vorletzten Sommerpause allerdings wenig Euphorie im Umfeld von Hertha BSC. Viele Fans und Beobachter in Berlin machten sich wenige Hoffnungen für die Saison 2015/2016 und am Ende hörte man immer wieder diesen einen Satz: „Hoffentlich steigen wir mit dieser Truppe nicht ab!“ Neben den beiden Aufsteigern Ingolstadt und Darmstadt wurde Hertha zu Saisonbeginn also mal wieder als einer der Abstiegskandidaten gehandelt, doch am Ende einer phasenweise unglaublichen Saison kam alles mal wieder ganz anders als erwartet!
So richtig startete die neue Saison für uns dann mit einem kleinen Déjà-vu, denn die Pokalauslosung bescherte uns für die erste Runde ein Auswärtsspiel bei Arminia Bielefeld. Ausgerechnet Bielefeld, dort wo unsere Hertha im letzten Jahr nach einer müden Vorstellung mal wieder vorzeitig aus dem Pokal ausgeschieden war. Zu allem Unsinn wurde die Begegnung dann auch noch auf einen Montagabend geschoben, was rund 1.600 Herthaner allerdings nicht davon abhalten konnte der Alten Dame auf die Bielefelder Alm zu folgen, einen respektablen Support abzuliefern und dort gebührend den Einzug in die nächste Runde zu feiern. Auf dem Rasen und auf den Rängen wurde somit ein guter Grundstein für die bevorstehende Saison gelegt. Der Schwung vom Auswärtssieg in Bielefeld wurde gleich genutzt und somit startete Hertha mit einem Dreier beim FC Augsburg erfolgreich in die Bundesligasaison 2015/2016. Einziger Wermutstropfen an diesem Samstag war die schwache Beteiligung aus der gesamten Fanszene bei diesem ersten Auswärtsspiel. Lediglich eine Handvoll Busse, einige 9er, PKWs und einige Bahnfahrer machten sich auf den Weg zu diesem ersten Saisonspiel. Insgesamt waren zwar 1.500 Herthaner im Gästeblock, doch davon war etwa die Hälfte aus dem süddeutschen Raum angereist und zeigte nur teilweise Interesse an lautstarker Unterstützung. Euphorie sieht anders aus! Das genaue Gegenteil erlebten dann die etwa 45.000 Herthaner beim Heimspielauftakt gegen Werder Bremen, als Hertha auf dem Platz wie die Feuerwehr loslegte und die Ostkurve sich in einen kleinen Rausch sang. Der Torjubel nach dem frühen 1:0 sorgte dann für kleinere Blessuren im Herzen der Kurve, sowie für defekte Handys und Brillen. Leider konnte dieses Topniveau nicht über die gesamte Spieldauer gehalten werden. Am darauf folgenden Wochenende in Dortmund war dann der Wurm drin. Etwa 3.000 Schlachtenbummler folgten der Hertha ins Westfalenstadion, doch dank Temperaturen von knapp über 40 Grad Celsius und Dauersonnenschein auf den Gästeblock sollte nur wenig gelingen. Nur zum Ende hin, als Hertha nochmal auf 2:1 an Dortmund heran kam, konnten wir uns nochmal Gehör im Stadion verschaffen. Am Ende des dritten Spieltags bedeutete das 3:1 bei Borussia Dortmund die erste Pflichtspielniederlage für Hertha in dieser Saison.
Das erste Prestigeduell für Herthas Fanszene stand dann Mitte September an, als der VfB Stuttgart in Berlin gastierte. Um das Olympiastadion herum blieb es ruhig, doch dafür wurde drinnen was für Augen und Ohren geboten. Zu Spielbeginn gab es von den Gruppen der Ostkurve Hertha BSC eine bewegte Blockfahnenchoreo zu sehen. Auf einem grauen Untergrund aus Zetteln wurde eine Blockfahne mit einer Hand und fünf Spielkarten hochgezogen. Vier der fünf Spielkarten wurden in Grautönen umgesetzt, während in der Mitte eine blaue Spielkarte mit einer Herthadame im Kartenblatt steckte. Dieses Motiv wurde einige Minuten gehalten, ehe der graue Untergrund in ein blau-weißes Karomuster wechselte, das Spruchband „Für uns bist Du die höchste Karte…“ ausgerollt wurde und die Spielkarte mit der Herthadame per Seilkonstruktion langsam aus dem Kartenblatt herausgezogen wurde. Die Umsetzung der Choreo ging fast perfekt über die Bühne, lediglich das passende Lied zur Aktion „Für uns bist Du die höchste Karte…“ erreichte leider nicht die erhoffte Lautstärke um sich im gesamten Olympiastadion durchzusetzen. Euphorisiert durch die gelungene Choreo startete die Ostkurve mit einem wirklich grandiosen Support, welcher bis etwa Mitte der ersten Hälfte gehalten werden konnte. Als Hertha allerdings das Fußballspielen komplett einstellte und Stuttgart auf den Ausgleich drückte wurde der Unmut sehr schnell groß und dementsprechend wurde es auch deutlich ruhiger. Mit der 2:1 Führung durch einen Volleyknaller von Lustenberger waren dann aber wieder alle Herthaner wach und im zweiten Durchgang konnte wieder an das gute Niveau vom Spielbeginn angeknüpft werden. Die letzten zehn Minuten wurde dann das restliche Stadion beim „Ole Hertha BSC!“ mitgenommen und standesgemäß der erste Heimsieg der Saison gefeiert.
Beim Auswärtsspiel in Wolfsburg mussten die rund 3.500 mitgereisten Herthaner auch in diesem Jahr wieder eine Niederlage miterleben, während schon drei Tage später der 1. FC Köln in Berlin an einem Dienstagabend im Olympiastadion antreten sollte. Mit einem 2:0 Heimsieg durch einen Doppelpack von Ibišević wurden die Kölner wieder in die Heimat geschickt und am Ende der englischen Woche grüßte die Hertha den Rest der Bundesliga vom 5. Tabellenplatz. Komplettiert wurde diese lange Woche mit dem Auftritt unserer Hertha in Frankfurt. Dank der Spieltagsplanung von DFL & DFB wurde dieses Spiel natürlich auf einen Sonntag geschoben. Dass der Karlsruher SC fast zeitgleich auswärts in Heidenheim antreten sollte, wunderte in Herthas Fanszene am Ende schon fast niemanden mehr. Unter diesen suboptimalen Umständen machte sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag der Großteil der Ultras plus Umfeld per WE-Ticket auf den Weg nach Frankfurt. Auf der Anreise gab es keine Probleme, doch trotzdem wartete am Frankfurter Hauptbahnhof erwartungsgemäß ein riesiges Bullenaufgebot auf unseren Mob. Im Stadion ging der geschenkte Tag dann weiter, denn auf den Rängen konnte der Gästehaufen heute nicht annähernd überzeugen. Ähnlich dürftig fiel die Vorstellung auf dem Spielfeld aus und am Ende waren wir froh wenigstens einen Punkt auf Habenseite gesammelt zu haben. Abgerundet wurde der Ausflug an den Main dann noch mit der Nachricht, dass einige Frankfurter nach Spielende eine Autobesatzung aus Strasbourg ausfindig machen konnten und die Jungs aus dem Elsass um einige Materialien erleichterten.
Bereits am nächsten Wochenende stand dann das nächste kleine Highlight im Terminkalender. Punktgenau am 3. Oktober 2015, dem 25. Jahrestag der Deutschen Einheit, empfing unsere Hertha den Hamburger SV. Für uns Berliner und besonders auch für uns Herthaner hat die Wiedervereinigung einen ziemlich hohen Stellenwert, was für viele andere Fanszenen in unserem Land wahrscheinlich schwer nachvollziehbar ist. Der Hauptgrund für uns ist natürlich der relativ hohe Anteil an Ost-Berlinern und zum Teil auch Brandenburgern in Herthas Fanszene. Egal ob Ost- oder Westberlin, die Herkunft eines Herthaners spielt in unserer Fanszene keine Rolle und dementsprechend findet dieses Thema auch in den Kontakten zu unseren Brüdern aus Karlsruhe nicht statt. Unter diesen Voraussetzungen wurde schon mehrfach über eine Choreo mit dem Grundthema „Wiedervereinigung“ diskutiert, doch irgendwie wurden die Ideen in den letzten Jahren nie zu Ende gedacht. Da das Spieltagsdatum in diesem Jahr mit dem 25-jährigen Jubiläum wie die Faust aufs Auge passte, wurde das Thema nun endlich mal weiter gesponnen und eine bereits fast fertige Blockfahne aus dem Archiv geholt. Eine Berlin-Blockfahne bei der jeder Stadtbezirk mit dem eigenen Wappen dargestellt wurde, war die Grundlage für diese Aktion. Diese Blockfahne wurde am ehemaligen, innerstädtischen Grenzverlauf geteilt und in der Ostkurve hochgezogen. Im Oberrang wurde dazu das Spruchband „Wir vereinen Ost und West, denn…“ angebracht. Zwischen den beiden Blockfahnen wurde eine Mauer aus Stoffbahnen aufgebaut, welche nach einigen Minuten eingerissen wurde. Nun wurden der Ost- und der Westberliner Teil der Blockfahne zusammengeführt und im Unterrang die Choreo durch das zweite Spruchband „Hertha steht für ganz Berlin!“ vollendet. Untergrund für die Blockfahne war ein einfaches Herthafahnen-Motiv, bestehend aus blauen und weißen Zetteln. Mit der optischen Umsetzung waren wir im Nachgang nicht wirklich zufrieden, doch die Aussage konnte vollends überzeugen. Selten gab es auf eine Choreo so viele positive Rückmeldungen von Herthanern, Berlinern, dem eigenen Verein und auch von vielen Fußballbegeisterten aus dem ganzen Land. Passend zu diesem Feiertag fertigte Hertha den HSV mit einem glatten 3:0 ab, was die ohnehin schon prächtige Stimmung in der Ostkurve natürlich nochmal beflügelte. Der Stimmungsverlauf war fantastisch, so dass sich auch die Bereiche außerhalb der Ostkurve einige Male an den Gesängen beteiligten. Speziell nach der endgültigen Entscheidung durch Ibišević schallte es laut durch das Stadion und die gute Gesamtleistung wurde nach Abpfiff gemeinsam mit einer der lautesteten „Uffta“ seit eh und je zelebriert.
Ende September ging es für einen Teil der Herthaszene dann mal wieder nach Frankfurt, dieses Mal aber „nur“ zum FSV. In der zweiten Pokalrunde zitterte unsere Hertha sich mal wieder in die Verlängerung, in der Kalou dann per Foulelfer für die Rettung sorgte. Die zeitgleich in Aue gastierenden Eintracht-Ultras bekam kein Berliner an diesem Abend zu sehen, auch wenn man vorher natürlich mit den ein oder anderen Aktion der Hessen rechnen musste. Somit ging es auf schnellsten Weg wieder zurück in die Heimat, wo schon wieder vom Pokalfinale geträumt werden konnte…
Der Rest der Hinrunde ist unter „Bundesligaalltag“ zu verbuchen, wobei der Gastauftritt am vorletzten Hinrundenspieltag in Darmstadt eine angenehme Abwechslung darstellte. Exakt 2.195 Herthaner, im letzten nicht überdachten Gästeblock der Liga, sorgten auch mit dem klaren Ergebnis von 4:0 für Hertha eher für mittelmäßigen Support. Trotz doppelter Einlasskontrolle gab es nach den Toren etwas blauen Rauch sowie eine Fackel zu sehen. Da bisher fast jeder Gast in Darmstadt gezündet hatte, wurden vom Verein pauschal sämtliche Fanutensilien für Gästefans verboten. Einige kleine Fahnen und passende Stangen konnten trotzdem ins Stadion geschmuggelt werden. Herthas Ultragruppen reisten heute frühzeitig per ICE an und musste den geplanten Kneipenbesuch in Darmstadt aufgrund der angekündigten Polizeitaktik in Südhessen kurzerhand im Frankfurter Bahnhofsviertel stattfinden lassen. Trotz des mehrstündigen Aufenthalts gab es aber keine nennenswerten Vorkommnisse rund um den Frankfurter Hauptbahnhof. Auf der Heimreise gab es dann einen Angriffsversuch am Hauptbahnhof in Darmstadt, aber die Staatsmacht hatte sehr schnell die Lage im Griff. Ruhig blieb es dann auch beim Umstieg in Frankfurt, wo laut Augenzeugenberichten ein größerer Haufen Einheimischer versuchte in den Hauptbahnhof zu kommen. Die Bullen sollen jedoch ein Durchkommen der Frankfurter verhindert haben.
Aus sportlicher Sicht hätte die zweite Hälfte der Hinrunde kaum besser laufen können. Sechs Siege aus den letzten acht Spielen beförderten unsere Hertha auf den 3. Tabellenplatz und sorgten endlich mal wieder für ein ruhiges Weihnachtsfest unter allen Herthanern. Als kleines Zusatzgeschenk gab es kurz vor Heiligabend dann noch den Pokalsieg in Nürnberg, der ausgelassen und mit jeder Menge Pyrotechnik im Gästeblock gefeiert wurde. Ein negativer Tiefschlag an diesem Abend war allerdings die Info, dass nach dem Spiel wieder ein Auto aus Strasbourg attackiert wurde und dabei eine kleine Fahne an Nürnberg verloren ging. Sowohl der zum Teil leichtfertige Umgang der Franzosen mit den eigenen Materialien, als auch die Kommunikation zwischen uns und den anreisenden Gästen sorgte im Nachgang noch für einige Diskussionen in den eigenen Reihen.
Rückrunde 2015/2016
Die Rückrunde startete für Herthas Fanszene mal wieder mit einer traurigen Nachricht, denn mit Jerry verabschiedete sich ein junger Herthaner aus unserer Mitte. Sein Freundeskreis aus Süd-Berlin hatte in den zurückliegenden Wochen einige Aktionen auf die Beine gestellt, doch am Ende verlor Jerry den Kampf gegen den Krebs. Per Kondolenzbuch im Eingangsbereich der Ostkurve und dem Spruchband „Die Besten sterben jung… Ruhe in Frieden Jerry!“ wurde ihm die letzte Ehre erwiesen.
Die Mannschaft startete mit Ladehemmungen in diese Rückrunde. Im Heimspiel gegen Augsburg gab es nur ein torloses Unentschieden im Olympiastadion zu sehen. In Bremen gab es zwar deutlich mehr Tore zu bestaunen, doch das 3:3 wirkte am Ende eher wie eine Niederlage, nachdem Hertha in der 70. Spielminute bereits mit 3:1 in Führung lag. Es folgte erneut ein torloses Unentschieden zuhause gegen Borussia Dortmund, eine bittere Niederlage in Stuttgart und ein weiteres Unentschieden daheim gegen Wolfsburg. Zwischenzeitlich stand dann auch das Viertelfinale im Pokal an, wobei unsere Hertha beim FC Heidenheim antreten musste. Etwa 1.500 Herthaner machten sich auf den Weg in den Süden und durften an diesem historischen Ereignis teilhaben. Trotz tausender Herzinfarkte im Gästeblock konnte am Ende gejubelt werden, denn Hertha konnte sich glücklich mit 3:2 gegen den Zweitligisten durchsetzen. Nach über zwanzig Jahren schaffte es endlich mal wieder eine Mannschaft von Hertha BSC bis ins Halbfinale des Pokal-Wettbewerbs, zuletzt erreichten das die Hertha-Amateure im Spieljahr 1992/1993. Letztlich scheiterten die „Hertha-Bubis“ im Finale an Leverkusen und spätestens seit diesem Jahr träumen viele Herthaner von einem nächsten Finale im eigenen Olympiastadion.
Großkampftag für die Berliner Bullen war dann Mitte März angesagt, denn unter der Woche gastierte die Eintracht aus Frankfurt in Berlin. Am Vorabend des Spiels kam es dann zu einem heftigen Aufeinandertreffen mit bereits frühzeitig angereisten Frankfurtern im Prenzlauer Berg. Bei diesem Schlagabtausch soll es laut Hörensagen auch zum Einsatz von Wurfgeschossen, Pyro und einem Feuerlöscher gekommen sein. Anscheinend waren die Frankfurter wieder voll in ihrem Element… Die Punkte blieben nach der letzten Durststrecke in der Liga zum Glück in Berlin, nun hoffte man in Herthas Fanszene, dass die Mannschaft sich wieder fangen würde und an den teilweise fantastischen Fußball der Hinrunde anknüpfen würde. Doch schon am folgenden Sonntag sollte die Ernüchterung folgen. Denn in Hamburg ging Hertha sang- und klanglos mit 0:2 unter. Rund 3.000 Gästekarten konnte Hertha im Vorfeld der Partie für diesen Sonntagskick absetzen, doch am Ende machten sich rund 250-300 Herthaner noch vor Anpfiff des Spiels wieder auf den Weg nach Berlin. Der Grund dafür war eine polizeiliche Maßnahme gegen Herthaner, die bereits am Samstagabend nach Hamburg angereist waren. Nach einer Polizeikontrolle am Sonntagvormittag wurden ca. 80 Leute erst festgehalten und dann vom Hamburger Hauptbahnhof aus wieder nach Berlin geschickt. Diese Gruppe blieb jedoch nicht alleine, insgesamt wurden etwa 120 Herthaner zur „Gefahrenabwehr“ nach Hause geschickt. Diese Aktionen der Hamburger Bullen sollten wohl als eine Art Botschaft verstanden werden, dass früh anreisende Fußballfans in Hamburg nicht gern gesehen sind. Gleiche Erfahrungen mussten auch schon Fans anderer Vereine machen. Die erst Sonntag anreisenden Gruppenteile fuhren wenige Minuten nach ihrer Ankunft, zusammen mit den „Ausgesperrten“, gemeinsam wieder Richtung Heimat und waren eine knappe Stunde vor Anpfiff zurück in Berlin.
Das letzte, sportliche Bundesliga-Highlight in der Rückrunde sollte schon am 26. Spieltag über die Bühne gehen. Über 40.000 Herthaner pilgerten an diesem Freitagabend ins heimische Olympiastadion und erlebten einen grandiosen 2:0 Heimsieg gegen Gelsenkirchen, der eigentlich noch höher hätte ausfallen müssen. Nach einer kurzen Ansprache durch die Vorsänger startete die Ostkurve mit viel Elan ins so wichtige Heimspiel gegen einen direkten Konkurrenten im Kampf um die internationalen Startplätze. Immer wieder konnte fast die ganze Ostkurve und auch Bereiche der umliegenden Blöcke mit in die Gesänge einbezogen werden. Und auch bei diesem Heimspielsieg wurde in den letzten Minuten wieder zusammen mit dem restlichen Stadion gefeiert und gemeinsam die Mannschaft ins Ziel getragen.
In den kommenden acht Spielen bis zur Sommerpause sollte es für die von Europa träumenden Herthafans allerdings nur noch einen einzigen Sieg zu bejubeln geben. In einem umkämpften Heimspiel gegen den Aufsteiger aus Ingolstadt konnte sich unsere Hertha knapp mit 2:1 durchsetzen, wobei der in dieser Saison erstarkte Kalou den Unterschied zum Gegner ausmachte. Der Besuch im sonnigen Olympiastadion an diesem Samstagnachmittag begann allerdings erst mal mit einem kleinen Schock. Vor dem Spiel hatte Herthas Fahrzeugsponsor „Audi“ im Oberrang auf der Gegengerade ein weißes „Q“ und einen roten „Audi“-Schriftzug per Folienüberziehern auf den Sitzen auslegen lassen. Glücklicherweise entfernten noch vor Spielbeginn einige Hertha-Ultras die Überzieher von den Sitzen. Dass die Geschäftsführung von Hertha sich selbst bei einem Heimspiel gegen den Audi-Club aus Ingolstadt solche Aktionen des Sponsors gefallen lässt, zeugt von wenig Fingerspitzengefühl gegenüber den eigenen Anhängern und einer teilweise hemmungslosen Prostitution gegenüber den Sponsoren. Diese Entwicklung wird uns in Zukunft wahrscheinlich noch weiter beschäftigen, denn seit Ende des Jahres 2015 hat Hertha einen Neuzugang in der Geschäftsführung namens Paul Keuter. Der ehemalige Twitter-Manager ist laut Pressemeldung von Hertha für die „… Weiterentwicklung von digitalen Geschäftsmodellen…“ verantwortlich. Diese Stellenbeschreibung lässt wildeste Mutmaßungen zu und wahrscheinlich hatten Leute wie Keuter auch ihre Finger mit im Spiel, wenn Hertha in der kommenden Saison mit Trainingsklamotten in Orange und pinken Ausweichtrikots auf dem Rasen des Olympiastadions aufläuft!?
Das Restprogramm der Rückrunde ist schnell abgehandelt, sportlich lief bei unserer Hertha nämlich nichts mehr zusammen und die letzten Gegner sorgten auch für keinen Aufschrei ins Herthas Fanszene. Aufregung gab es lediglich beim Heimspiel gegen den FC Bayern, als nach dem Spiel und der gemeinsamen Aktion „Spendet Becher – Rettet Leben!“ mit den Bayern-Ultras, die Nachrichten durchsickerten, dass die Berliner Bullen mal wieder zeigen wollen wo der Hammer hängt. Der aus dem Stadion abwandernde Haufen der Bayern Ultras wurde immer wieder von den Bullen attackiert, als Vorwand diente die Pyroaktion der Gäste zu Spielbeginn. Selbst als sich die Lage beruhigt hatte, wurde immer wieder ein neuer Angriff der Polizei gestartet. Die anschließende Kontrolle der Busse plus Insassen zog sich dann noch bis in die späten Abendstunden. Von Herthas Fanszene gab es dabei etwas Unterstützung gegen die Bullen und im Nachgang bei der ID-Behandlung der Münchner. Aufregung gab es dann noch auf dem Hinweg zum Auswärtsspiel nach Hoffenheim, als einer der Hertha-Busse unterwegs auf eine Busladung von Schalkern traf. Nachdem die Gelsenkirchener mit Händen und fliegenden Flaschen auf sich aufmerksam gemacht hatten, wurden sie von Herthas Busladung schnell wieder in die Schranken gewiesen.
Ausgelassene Stimmung herrschte dann beim letzten Heimspiel gegen Darmstadt. Per Chaos-Choreo sollte der sichere Einzug in den Europapokal gefeiert werden, was auch von unserer Seite aus perfekt umgesetzt wurde. Zusätzlich legte die Ostkurve an diesem Tag nochmal einen wirklich guten Auftritt aufs Parkett. Leider wurde die Stimmung am Ende von einem gewissen Sandro Wagner vermiest, eine Person die bis zu diesem Moment in den Reihen der Ultragruppen von Hertha BSC mit Sicherheit nicht den schlechtesten Stand hatte. Seine abwertenden Gesten nach dem Siegtreffer in Richtung Ostkurve wollten allerdings nicht alle Herthaner so stehen lassen, was dazu führte, dass nach dem Spiel nochmal ein gutes Dutzend Hertha-Ultras auf der Laufbahn des Olympiastadions bis wenige Meter an Herrn Wagner gelangen konnten. Dieser flüchtete sich allerdings mit einem Sprint in die Kabine in Sicherheit.
Der Saisonabschluss in Mainz wurde dann, wie schon im letzten Jahr, mit einem langen Wochenende in Strasbourg und Karlsruhe begangen. Bereits Freitagabend reiste ein großer Teil der Hertha-Ultras nach Frankreich zum Spiel RC Strasbourg – SC Amiens. Die Feierlichkeiten zum Aufstieg in die Ligue 2 hatten schon fast begonnen, die Gratulationsspruchbänder waren schon in den Händen ausrollbereit, da erzielten die Gäste aus Amiens doch noch den 0:1 Siegtreffer. Zuvor gab es atemberaubende Stimmung im fast ausverkauften Stade de la Meinau vor etwa 26.000 Zuschauer. Am Ende der Saison konnte man im Elsass dann allerdings doch noch feiern und der RCS startet in der kommenden Saison in der 2. Liga Frankreichs. Am Samstag stießen dann die restlichen Herthaner in Mainz dazu und gemeinsam mit den Gästen aus Karlsruhe und Strasbourg erlebte man ein 0:0 gegen den direkten Konkurrenten aus Mainz. Offensichtlich konnte der blau-weiße Rauch zum Einlaufen der Teams unsere Mannschaft nicht genug motivieren. Noch vor wenigen Wochen lag Hertha mit komfortablem Vorsprung auf dem 3. Tabellenplatz, doch dieser Vorsprung wurde mit der schwachen Schlussphase verschenkt. Nur dank der Finalpaarung im Pokalendspiel (FC Bayern – Borussia Dortmund) darf Hertha als 7. der Bundesliga in der Europa League – Qualifikation starten. Allerdings müssen vor Beginn der Gruppenphase im September erst noch eine Vorrunde mit Hin- und Rückspiel absolviert werden. Der Samstagabend nach dem Spiel in Mainz wurde dann mit einer großen Anzahl an Leuten aus der gesamten Fanszene in Karlsruhe verbracht, wo am Sonntag fast 200 Herthaner dem KSC beim letzten Heimspiel der Saison die Daumen drückten.
Das Thema der Rückrunde, wenn nicht sogar das Thema der letzten Jahre, unter allen Herthanern war aber das Pokalhalbfinale gegen Dortmund. Mit dem Sieg gegen Heidenheim und der Auslosung der Partie Hertha BSC – Borussia Dortmund erlebte Berlin eine noch nie dagewesene Euphorie. Die Kartenanfragen wollten nicht abnehmen und im Vorfeld hätte Hertha das Olympiastadion locker zwei- bis dreimal füllen können. Der Vorverkauf für Mitglieder lief so gut, dass nur noch ein paar wenige Restkarten in den freien Verkauf gingen, welche in Sekunden vergriffen waren. Wochenlang gab es unter Herthanern nur dieses eine Thema…
Etwa 50.000 – 55.000 Herthaner erlebten dann einen denkwürdigen Abend im Berliner Olympiastadion. Der Rahmen für einen eventuellen Einzug ins Pokalfinale stimmte. Eine riesige Choreo erstreckte sich zum Einlaufen der beiden Mannschaften über Ober- und Unterrang der Ostkurve. Das Motto der Aktion lautete „Schuss, Tor, Hurra…“ und bezog sich somit auf den bekannten Pokalhit, welcher im Jahr 1993 anlässlich des Einzugs der Hertha-Bubis ins Pokalfinale kreiert wurde. Passend dazu wurde dieses Lied auch über die Stadionlautsprecher mit eingespielt. Die Darstellung des Herthastürmers in Seitfallzieherpose erfolgte wieder nahezu perfekt, wobei die Umsetzung extra etwas einfacher gewählt wurde, um diesen einzigartigen Tag für alle Aktiven der Ostkurve nicht in puren Stress ausarten zu lassen.
Doch schon einige Minuten vor diesem magischen Augenblick gab es das erste Mal Gänsehaut für alle Blau-Weißen im Olympiastadion. Als die Mannschaft nach dem Aufwärmen noch zur Ostkurve kam und die beiden Vorsänger von der Laufbahn aus das weite Rund des Olympiastadion anheizten, kochte die Stimmung für einige Minuten über. Der Lautstärkepegel schnellte in bis dahin unbekannte Sphären und etwa die Hälfte des ganzen Stadions hüpfte zusammen mit der Ostkurve im Takt. Doch auch während des Spiels gab es, neben dem wirklich guten Support an diesem Abend, auch immer wieder einige unvergessliche Momente. Als Hertha in der zweiten Hälfte für etwa zehn Minuten aufs gegnerische Tor anrannte, flippte das halbe Olympiastadion aus. Die Lautstärke der Gesänge war phasenweise wirklich unglaublich und wird jedem Herthaner ewig in Erinnerung bleiben. Richtig laut wurde es dann auch nochmal zum Ende des Spiels, als sich fast alle Herthaner im Stadion erhoben und noch einige Minuten lang den Stolz auf ihren Verein und den Stolz auf diesen historischen Abend besangen. Leider bot unsere Hertha an diesem denkwürdigen Abend keine Leistung die zum Einzug ins Pokalfinale berechtigt hätte und auch Herthas Urgestein auf der Trainerbank, Pál Dárdai, sorgte mit seiner taktischen Ausrichtung bei diesem vorgezogenen Endspiel für viel Fragezeichen über den Köpfen der Herthafans.
Mitten im Herzen der komplett überfüllten Ostkurve konnten an diesem Abend auch wieder viele Brüder aus Karlsruhe begrüßt werden. Rund 60 Ultras aus Baden erlebten gemeinsam mit uns diesen Tag voller Vorfreude, Energie und leider auch großer Trauer. Vielen Dank für Eure Unterstützung, ebenso wie an die Freunde aus Strasbourg und die vielen Weggefährten, mit denen wir diesen einmaligen Abend in unserer Kurve teilen konnten.
Ostkurve Hertha BSC in der Saison 2015/2016
Ein Rückblick auf eine ganze Saison beinhaltet oft nur Bruchteile, deshalb gehen wir an dieser Stelle nochmal etwas genauer auf der Support in der zurückliegenden Spielzeit ein. Die Highlights wurden eigentlich fast alle aufgezählt, doch unter den Tisch fallen natürlich die „normalen“ Heim- und Auswärtsspiel gegen eher unattraktive Gegner, die in der Bundesliga leider immer mehr Traditionsvereine verdrängen. Besonders in diesen Spielen fiel es oft schwer die große Masse, oder auch zum Teil den Auswärtsfahrerhaufen, richtig motiviert zu bekommen. Trotz der sportlich sensationellen Leistungen in der Hinrunde gab es nie das Gefühl, dass nun ein großer Ruck durch Herthas Fangemeinde geht. Weder gingen die Zahlen der Auswärtsfahrer spürbar nach oben, noch kochte die Ostkurve bei den vielen Heimsiegen vor absoluter Ekstase über. Selbst die Zuschauerzahlen im Olympiastadion blieben auf einem konstanten Level von ca. 35.000 – 40.000 Herthanern pro Heimspiel und pendelten sich zum Saisonende bei etwa 48.000 Zuschauern gesamt ein. Trotz der sportlichen Erfolge in der Bundesliga und dem Einzug ins Pokalhalbfinale kamen also nicht mehr Herthaner und Fußballinteressierte zu den Heimspielen unserer Hertha als in den letzten Jahren, wo es teilweise von Anfang an gegen den Abstieg ging. Kurios!
Auch in diesem Jahr gab es einige Neuigkeiten, positive sowie auch negative, in Bezug auf den Zusammenschluss „Ostkurve Hertha BSC“. Der gravierendste Einschnitt war sicherlich die Schließung der eigenen Räumlichkeiten des Förderkreis Ostkurve e.V. (FKO), der als Dachverband der Gruppen aus der Ostkurve fungiert. Nach nur etwa einem Jahr waren die bürokratischen Hürden so hoch, dass die Verantwortlichen die Reißleine ziehen mussten um eventuellen Schaden vom Verein bzw. von persönlich haftenden Mitgliedern abzuwenden. Mit den gemachten Erfahrungen im alten Objekt und den bürokratischen Hindernissen, welche nun hinlänglich bekannt sind, dürfte die Suche nach einem geeigneten Objekt in perfekter Lage zu einem echten Mega-Projekt werden.
In Punkto Aktionen wurde dieses Jahr wieder etwas mehr geboten, wobei das Niveau der Choreos weiterhin auf einem konstant hohen Level liegt. Dank der wieder über 1.000 Mitglieder im FKO sind wir beim Thema Choreos und Aktionen relativ gut aufgestellt, auch weil sich immer wieder neue Leute für diesen Bereich begeistern können und an der Anfertigung und Ausführung teilhaben. Besonders beeindruckend war der Vorabend des Pokalspiels gegen Dortmund, als mehrere hundert Herthaner über den ganzen Abend und bis in die Nacht in der Ostkurve mit den Choreoarbeiten beschäftigt waren.
Ein leidiges Thema in den letzten Jahren bleiben die Zahlen was die Auswärtsfahrer bei Hertha betrifft. Leider bekommen wir es nicht gebacken, einen konstant guten Schnitt zu den Auswärtsspielen aufzustellen. Die teilweise unattraktiven Spiele, bei denen oft „nur die üblichen Verdächtigen“ fahren, sind leider noch zu häufig traurige Realität. Natürlich ist das zum Teil Meckern auf hohem Niveau, doch unsere Ansprüche sind in diesem Bereich deutlich über dem jetzigem Level und somit wird die nächste Saison mit der dreifachen Belastung von Europapokal, DFB-Pokal und Bundesliga zu einem echten Härtetest für Herthas Fanszene.