Willkürliche Datensammlung von Fans stoppen!
Wir halten die Praxis der Datei „Gewalttäter Sport“ mit der Erfassung der Daten von tausenden Fußballfans für äußerst fragwürdig und grundsätzlich bedenklich. So waren etwa im Jahr 2008 rund 10.000 Personen in dieser Datei gespeichert, die Tendenz ist steigend. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Fehlen einer Kontrollinstanz zu einem Umgang mit diesem Instrument geführt hat, unter dem das Vertrauen vieler Fußballfans in die Polizei und rechtsstaatliche Prinzipien sehr gelitten hat. Diese Thematik passt in das Bild einer derzeitigen Entwicklung, in der unser Staat immer mehr die Züge eines Überwachungsstaates annimmt. Wie sich jetzt herausgestellt hat, ist diese Praxis nach derzeitiger Rechtslage sogar rechtswidrig. Trotzdem bleiben die Dateien bestehen und sollen nun „im Nachhinein“ durch eine Rechtsverordnung noch legalisiert werden.
Wir fordern die Löschung aller illegal erhobenen Daten und den Verzicht auf eine derartige Datei. Sollte die Polizei auf ein solches Instrument nicht verzichten können, so sollte sie zumindest die illegal erhobenen Daten löschen und für die zukünftige Erfassung von Daten die berechtigte Kritik von Fanorganisationen berücksichtigen und Datenschützer einbeziehen.
Diese Kritik umfasst im wesentlichen folgende Punkte:
– Die Kriterien, wann eine Eintragung vorgenommen wird, sind weder rechtstaatlich noch nachvollziehbar. In der Regel reichen willkürliche Verdachtsmomente, Personalienfeststellungen, Personenkontrollen (bei denen man z.B. zusammen mit schon in der Datei erfassten Personen kontrolliert wird), Platzverweise, Ingewahrsamnahmen oder die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens für eine Eintragung aus. All diese Maßnahmen beruhen allerdings auf der willkürlichen und subjektiven Entscheidung einzelner Beamter und sind keinerlei Kontrollinstanz unterworfen. Damit wird die im Grundgesetz verankerte Unschuldsvermutung ausgehebelt. Eine Eintragung sollte nur nach rechtskräftiger Verurteilung aufgrund einschlägiger Delikte erfolgen.
– Die betroffene Person erhält keinerlei Benachrichtigung bei einer Eintragung in die Datei. Damit ist es auch so gut wie unmöglich, sich gegen eine Eintragung in der Datei mit rechtlichen Schritten zur Wehr zu setzen, da man über diese überhaupt keine Kenntnis hat. Auskunft über eine Eintragung erhält nur, wer selber auf Verdacht eine Anfrage über eine mögliche Eintragung stellt. Kurioserweise gab es schon Fälle, in denen ebene diese Anfrage Anlass für die Speicherung in der Datei war.
– Selbst bei einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens erfolgt keine Löschung aus der Datei. Das ist absolut inakzeptabel!
– Die bereits jetzt vorgesehen Fristen, nach denen eine Eintragung in der Datei gelöscht werden sollte, werden in der Praxis nicht eingehalten. Wer einmal erfasst wurde, bleibt auf Dauer in der Datei „Gewalttäter Sport“ und/oder in einem undurchsichtigen Dschungel anderer damit verknüpfter (Verbund-) und Polizei-Dateien gespeichert.
Problematisch daran ist nicht nur die Tatsache, dass Daten in einer dubiosen Datei gespeichert werden, sondern dass sich aus dieser illegalen Erfassung konkrete Konsequenzen ergeben:
– Auf dieser Grundlage werden Ausreiseverbote und Meldeauflagen erteilt.
– Sie führt zu Gefährdungsansprachen in der Wohnung und diskreditierenden Besuchen am Arbeitsplatz.
– Bei jeglichen Personenkontrollen (z.B. Verkehrskontrollen) ist man einer Vorverurteilung ausgesetzt.
– Selbst bei Urlaubs- oder Dienstreisen kommt es zu Problemen bei der Ein- oder Ausreise.
Das sind schwerwiegende Eingriffe in die Rechte und die Würde des Betroffen, die ein solches Instrumentarium an sich in Frage stellen. Mindestens muss für eine Speicherung in der Datei eine nachvollziehbare Grundlage wie eine rechtskräftige Verurteilung bestehen, die Praxis transparent gestaltet werden und einer Kontrollinstanz unterliegen und die Fristen und Kriterien für eine Löschung aus der Datei klar definiert und befolgt werden.
Harlekins Berlin `98 / Pro Fans im Juni 2010