Das seit einigen Jahren in Bremen geltende Fanmarschverbot für Gästefans, die ihre Mannschaft zu Spielen im Bremer Weserstadion begleiten, ist möglicherweise rechtswidrig. So lautet das Ergebnis eines Eilverfahrens vor den Bremer Verwaltungsgerichten, das ein Hertha-Fan am Freitag mit Unterstützung der Fanhilfen aus Berlin und Bremen angestrengt hatte. Erst am Abend stand fest, dass die Gerichte das Sicherheitskonzept der Polizei nicht wenige Stunden vor dem heutigen Spiel zwischen dem SV Werder und Hertha B.S.C. über den Haufen werfen.
„Das Verwaltungsgericht äußert in seiner Entscheidungsbegründung deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Fanmarschverbots. Ich bin deshalb optimistisch, dass sich die Hertha-Fans bei ihrem nächsten Gastspiel in Bremen ganz normal und frei durch die Stadt bewegen werden dürfen“, macht Rechtsanwalt Torsten Kellermann den Gästefans Hoffnung. „In Berlin und anderen Bundesligastädten ist das ohnehin selbstverständlich. Regelmäßige Fanmarschverbote sind eine unschöne Bremer Besonderheit.“
Immer dann, wenn bei Werder-Spielen mit einer größeren Zahl von Gästefans gerechnet wird, die per Bahn anreisen, verhängt das Ordnungsamt auf Bitte von Innensenator und Polizei ein sogenanntes Fanmarschverbot. Die am Bremer Hauptbahnhof ankommenden Fans des Gastvereins werden dann von der Polizei gezwungen, in Shuttle-Busse Richtung Weserstadion zu steigen. Fritz Müller von der Fanhilfe Hertha B.S.C. berichtet aus Erfahrung: „Diese Zustände am Hauptbahnhof gleichen einer Freiheitsberaubung. Als Bremer würde ich mich für diesen Umgang mit Gästen der Stadt schämen. Die meisten anderen Bundesligastandorte zeigen sich wesentlich gastfreundlicher.“
Das Ordnungsamt stützt sich in der Allgemeinverfügung auf eine Vorschrift des Bremischen Polizeigesetzes, wonach Personen zu ihrem eigenen Schutz vorübergehend in Gewahrsam genommen werden dürfen, wenn sie sich in einer hilflosen Lage befinden. Leo Brock von der Grün-Weißen Hilfe hält diese Argumentation für absurd: „Es ist haarsträubend, wie sich Ordnungsamt und Polizei im Auftrag des Innensenators die Gesetze hinbiegen, um schwere Eingriffe in die Grundrechte von Fußballfans vorzunehmen. Offensichtlich haben die Bremer Behörden darauf spekuliert, dass die Gästefans sich die rechtswidrigen Maßnahmen auf Dauer gefallen lassen, weil ihr jeweiliger Verein ja nur einmal im Jahr davon betroffen ist.“
Rechtsanwalt Kellermann kündigt an, die Klage im Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen: „Das Verwaltungsgericht hat nun Zeit, die noch offen gebliebenen Fragen zur generellen Rechtmäßigkeit des Fanmarschverbots sorgfältig zu klären. Ich rechne mit einer Entscheidung frühestens im kommenden Jahr.“
Heftig kritisiert Werder-Fan Brock die Kurzfristigkeit, mit der das Fanmarschverbot für das heutige Spiel ausgesprochen wurde. „Selbstverständlich wussten Polizei und Ordnungsamt spätestens seit der Terminierung des Spiels Anfang September, dass sie zum Hertha-Spiel ein Fanmarschverbot verhängen werden. Trotzdem haben sie mit der Allgemeinverfügung aus reiner Schikane wieder einmal bis zuletzt gewartet, damit sich kein Gericht mehr traut, das Verbot kurzfristig zu kippen Leider ist diese Strategie vorerst aufgegangen. Falls das Ordnungsamt bei künftigen Spielen trotz der gestrigen Entscheidung noch einmal ein Fanmarschverbot aussprechen will, sollte es dies fairerweise zumindest mit einigen Wochen Vorlauf tun, damit sich alle darauf einstellen können.“
Das Bremer Verwaltungsgericht hatte die Klage am gestrigen Nachmittag trotz erheblicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Fanmarschverbots zurückgewiesen. Das Gericht argumentierte, es seien in der Kürze der Zeit nicht mehr alle für die Entscheidung relevanten Fragen zu klären. Insbesondere sei klärungsbedürftig, ob das Fanmarschverbot auch für kleinere Fangruppen gelten darf, obwohl das Ordnungsamt seine Argumentation auf Größenordnungen zwischen 500 und 1000 Personen stützt. Darüber hinaus hält es das Verwaltungsgericht für fraglich, ob das Verbot mit Blick auf die vielen friedlichen Fans verhältnismäßig ist. Am Abend wurde diese Entscheidung der Vorinstanz vom Oberverwaltungsgericht bestätigt.
Fanhilfe Hertha B.S.C. – am 19. Oktober 2019