Stellungnahme zum Spiel:
Rasen Ball Leipzig – Hertha BSC

Mit einer Ärger- oder Sorgenfalte im Gesicht erfuhren wir vor kurzem das unsere Hertha am 30.7. ein Testspiel in Leipzig bestreiten soll. Eigentlich sollte das eine gute Nachricht sein, sind Fußballspiele zwischen Berlinern und Sachsen doch eine interessante Angelegenheit. Leider aber soll das Spiel nicht gegen LOK, Chemie, Sachsen, Roter Stern oder eine andere Leipziger Mannschaft stattfinden, sondern gegen den neuen Retortenverein „Rasen Ball Sport Leipzig“.

Wir teilen an dieser Stelle mit, dass wir Harlekins Berlin ´98 diesem Spiel nicht beiwohnen werden.

In der vergangenen Saison haben wir im Kurvenecho bereits über das neue Kommerzphänomen Red Bull im Fußball, neuerdings nun auch in Leipzig, berichtet.
Nach dem Einstieg im österreichischen und US-amerikanischen Fußball hat sich der Energy-Drink-Riese Red Bull nun auch in Deutschland breit gemacht – wenn auch zuerst unterklassig. Der Standort Leipzig war schon seit längerer Zeit im Gespräch und wurde von den Wirtschaftsfachleuten des Konzerns sicherlich wohl bedacht gewählt. Gibt es doch in der Region keinen Profiverein, dafür aber mit dem Leipziger Zentralstadion ein großes und modernes WM-Stadion. Die Übernahme des Vereins FC Sachsen Leipzig durch Red Bull scheiterte, da die Namensgebung des Sponsors vom DFB verboten ist. Der Einflussbereich des DFB reichte allerdings nur bis zur Regionalliga und somit war die Übernahme des SSV Markranstädt (wenige Kilometer von Leipzig entfernt) samt Umbenennung nur eine kleine Formsache, da die Oberliga noch kein Lizenzierungsverfahren dieser Art kennt.

Was hat sich seit der Übernahme 2009 getan? Der Getränkeverein ist mit 80 Punkten in 30 Ligaspielen aus der Oberliga aufgestiegen und hat Vereine wie LOK Leipzig, Sachsen Leipzig, oder den FSV Zwickau ohne Probleme ausgestochen. In der nächsten Saison spielt RB Leipzig mit einem objektiv guten Kader, der unter anderem zahlreiche Bundesligaexprofis aufzählen kann (Ingo Hertzsch, Thomas Kläsener, Tim Sebastian, Timo Rost usw.) in der Regionalliga Nord. Die Spiele werden nicht in Markranstädt ausgetragen, sondern im Leipziger Zentralstadion, dem Stadion, das vor einigen Jahren umgebaut, bisher wenigstens noch den alten traditionellen Namen behalten durfte. Bisher – denn der Getränkekonzern hat sich kürzlich bis zum Jahr 2040 die Namensrechte am Leipziger Zentralstadion gesichert. Von nun an heißt das Stadion Red-Bull-Arena. Die Einweihung des Stadions unter dem neuen Namen erfolgt am 24. Juli beim Spiel gegen den Vizemeister aus Gelsenkirchen. Man muss kein besonderer Experte sein, um zu prognostizieren, dass die anderen Mannschaften dieser Regionalliga wie schon in der Vorsaison wirtschaftlich (bereits 2009 war eine Investition von 100 Millionen Euro für die nächsten Jahre angedeutet worden) und somit auch sportlich wohl kaum werden mithalten können. Das Beispiel Hoffenheim hat gezeigt, wie schnell ein solches Projekt mit den nötigen Summen ganz nach oben katapultiert werden kann.

Wie skrupellos die Macher des Projektes mit Faninteressen umgehen, zeigt die Aussage eines Sprechers von Red Bull Salzburg, dem erfolgreichen Pilot-Projekt in Österreich, über die dortigen massiven Proteste der Anhänger von Austria Salzburg: „Wir haben 1000 Fans verloren, aber 20.000 gewonnen.“ Ähnlich soll es nun auch in Leipzig klappen. Bereits vor einem Jahr ergab eine Umfrage der „Leipziger Volkszeitung“, dass etwa 70% der Leipziger ausdrücklich für den Einstieg für Red Bull sind. Das dafür die alten Leipziger Traditionsvereine eventuell gänzlich ausgelöscht werden, scheint man in Kauf zu nehmen. Ob diese nun Fans haben oder nicht. Vorangekommen sind die Vereine in den letzten Jahren sportlich sowieso kaum und die Fans fallen höchstens mit negativen Schlagzeilen auf. Damit soll nun Schluss sein. Es klingt so, als könne das Projekt nur gewinnen: Leipzig, die alte Sportstadt, bekommt endlich wieder erfolgreichen Fußball (ohne Randale) zu sehen, einer Region im Osten winkt neuer wirtschaftlicher oder sozialer Aufschwung samt Selbstwertgefühl und der Getränkekonzern verleiht sich Flügel durch mehr und mehr Einnahmen.

Doch ganz so aussichtslos ist es nicht: Es erscheinen dieser Tage Berichte im Internet und in der Presse, die gar nicht so erfolgreich klingen. „Red Bull stürzt weiter in die Krise“ titelt z.B. ostfussball.com und beruft sich auf eine Aussage des Wirtschaftsmagazins “Format“: „Die Profite brechen weg”. Eine Deutung hört sich bei ostfussball.com folgendermaßen an: „Seit zwei Jahren sinkt der Gewinn des Unternehmens dramatisch, im Jahre 2008 brach er gar um die Hälfte ein und konnte sich auch im letzten Jahr nicht wieder davon erholen. Die nun vorgelegten Bilanzen der letzten beiden Jahre belegten diesen krassen Gewinneinbruch bei dem lange Zeit hindurch erfolgsverwöhnten Unternehmen.

Erste Wirtschafts-Analysten stellen sich nun bereits die Frage, ob der Einstieg in den Fußball in Leipzig nicht der größte Fehler gewesen sei. Fakt ist, dass gerade das Engagement in Salzburg und neuerlich auch in der sächsischen Metropole für einen starken Imageschaden der Marke Red Bull gesorgt haben. Gerade bei der jugendlichen Zielgruppe hat sich sicherlich diese Marketingstrategie stark auf die schwachen Zahlen des Konzerns der letzten beiden Jahre ausgewirkt und als absoluter Flop entpuppt.“

Wie realistisch eine solche Einschätzung ist, können wir nicht beurteilen, wir sind Fußballfans und keine Wirtschaftsexperten. Wenn aber nur irgendetwas daran ist, so sind wir nur um so mehr bestärkt darin, alles zu boykottieren was mit diesem kommerziellen Wahnsinn zu tun hat, damit den Funktionären deutlich wird, dass es sich nicht nur um eine Minderheit einiger weniger unverbesserlicher handelt, sondern eine breite Masse von Fußballfans sich den traditionsreichen Volkssport nicht nehmen lassen will. Also Zielgruppe: Geht nicht zu solchen Spielen, seht sie nicht im Fernsehen an, kauft euch andere Limonaden!

Wir bedauern, dass unser Verein Hertha BSC mit Red Bull übereingekommen ist, ein Testspiel zu veranstalten. Damit hat das Projekt RB Leipzig einen weiteren Namenhaften Verein, der für sie wirbt, in dem er es als Testspielgegner ernst nimmt. Wir sind Ultras und bei jedem Spiel von Hertha dabei! Aber die Unterstützung eines solchen Testspiels widerspricht anderen ideellen Werten, denen wir uns verpflichtet haben: die Wahrung von Traditionen, die Herzens angelegenheiten bedeuten; das Widersetzen gegen die völlige Kommerzialisierung des Fußballs, die eine extreme Einschränkung unserer Fankultur bedeutet. Wenn wir uns an solchen Stellen nicht wehren, brauchen wir uns später nicht zu beschweren, wenn unser Fußball nicht mehr so ist, wie er sein sollte.

Wir bitten alle Herthaner sich über dieses Thema Gedanken zu machen und möglicher Weise wie wir, aus benannten Gründen, auf einen Besuch des Spiels zu verzichten.

Ha Ho He – Hertha BSC

Harlekins Berlin ´98 – im Juli 2010