An dieser Stelle möchte ich, als Vertreter der Harlekins Berlin und als Vertreter der ersten deutschen Ultrageneration die Gelegenheit nutzen und ein paar wichtige Worte an die anwesenden Gruppen richten. Es freut mich und natürlich besonders alle Organisatoren, dass heute hier so viele Gruppen von so vielen, verschiedenen Vereinen angereist sind, um gemeinsam für ihre Ziele und Vorstellungen von Fußball und Fankultur zu demonstrieren. Doch bevor wir hier heute auf die Straße ziehen um einen symbolischen Grundstein für eine bundesweite und vereinsübergreifende Protestkultur zu setzen, sollten wir uns auch mit unseren eigenen Fehlern und Irrtümern beschäftigen!
Die Ultrabewegung in Deutschland ist so stark wie noch nie. Viele Ultragruppen führen mittlerweile ihre Heimkurve an und wissen einen großen Kreis an Mitgliedern, Sympathisanten und Unterstützern hinter sich. Der Organisationsgrad vieler Gruppen ist atemberaubend, es werden selbständig Räumlichkeiten verwaltet, riesige Choreos geplant und umgesetzt und regelmäßig Sonderzüge in Eigenregie durchgeführt. Selbst scharfe Kritiker müssen anerkennen, dass seit dem Einzug der Ultras wieder ordentlich Leben in den deutschen Kurven herrscht und wir uns im europäischen Vergleich nicht verstecken müssen. Ultra ist in Deutschland mittlerweile eine etablierte Jugend- bzw. Subkultur und in vielen Vereinen ein fester Bestandteil des Vereins und der Fanszene…
Doch Ultra ist mittlerweile auch der Jugendliche, der bereits nach dem fünften Stadionbesuch denkt, er sei nun automatisch in einem elitären Kreis der Fanszene aufgenommen und dürfe sich nun alles erlauben. Ultras ist heute, dass man sich im Internet möglichst imposant darstellt. Ultra ist leider auch, dass einige Gruppen nicht davor zurückschrecken gegnerische Fans mit Steinen und Flaschen einzudecken und somit das Risiko in Kauf nehmen, dass es zu schwersten Verletzungen des Gegenübers kommt. Vieles dreht sich heutzutage leider um ein Image das anscheinend gepflegt werden muss. Man muss nicht mehr mit vielen Leuten auswärts fahren, man muss nicht mehr die gegnerische Heimkurve in Grund und Boden singen, man muss nur noch wissen wie man sich mit irgendwelchen möglichst spektakulären Aktionen einen Namen machen kann und diesen dann in der großen, weiten Welt des Internets verbreitet. Gewalt und Rumgepose nehmen dabei eine tragende Rolle ein und ziehen sich momentan wie ein roter Faden durch die deutsche Ultrabewegung. Die Rede ist dabei weder von emotionalen Ausbrüchen wie denen hier in Berlin und in Bochum, oder den verletzten Nürnbergern durch Pyrotechnik im eigenen Fanblock. Was ich meine sind geplante Angriffe auf Fanprojekte, bewaffnete Fans auf Beutezug oder Einbrüche in Räumlichkeiten von anderen Ultragruppen.
Auch unter gegnerischen Fan- und Ultragruppen muss es Tabus geben die man einfach nicht bricht! Hinzu kommt eine Überflutung durch kleine Gruppen und Einzelpersonen, welche lediglich im Internet auftreten und diverse Internetseiten und Foren nutzen, aber weder in der eigenen Szene aktiv sind und somit auch keinen Einblick in das Tun und Handeln der jeweiligen Gruppen und Fanszenen haben. Von diesen Personen werden dann gerne reißerische Meldungen, Vermutungen und Verdächtigungen geäußert, welche der Bewegung nur schaden. Hiermit muss Schluss sein, die deutsche Ultrabewegung muss sich klar und deutlich von solchen Plattformen distanzieren und ggf. einen Gegenpol darstellen.
Leider hat sich in einigen, ich sage bewusst in einigen, Kurven und Gruppen ein Trend entwickelt der sich immer weiter von dem entfernt, wovon wir in der Entstehungsphase von Ultra in Deutschland immer geträumt haben. Eine lautstarke, kreative und leidenschaftliche Kurve, die ihrem Verein bis ans Ende der Welt folgt. Jugendliche die davon träumen eine Schwenkfahne zu besitzen oder die sich nichts besseres vorstellen können, als nach dem Siegtor ein Bengalo in den Abendhimmel zu strecken. Gänsehaut nach einem Schlachtruf aus tausenden Kehlen und die euphorische Vorfreude darauf, die eigene Zaunfahne in weit entfernte Länder tragen zu können. Das sind Ideale von denen die Leute, die Ultra in Deutschland vorangebracht haben, geträumt haben und das sind Ideale an die wir uns wieder mehr besinnen sollten!
Über das Thema Gewalt gibt es, wie auch über viele andere Themen, verschieden Meinungen. Für einige gehört sie zum Fussball dazu. Für sie wird die Gewalt immer ein Faktor in den Fanszenen sein, genauso wie Gewalt immer ein Faktor in unserer Gesellschaft sein wird. Andere dagegen lehnen Gewalt ab, im Fussball, wie auch im sonstigen Leben. Es wird also Zeit dass wir, in unseren Gruppen, aber vor allem auch mit den Fanszenen anderer Vereine über dieses heikle Thema diskutieren, das haben wir in den letzten Jahren fahrlässig verpasst! Die Diskussion muss erst in Gang kommen, doch auch jetzt schon ist klar: Wir müssen aufpassen, dass Gewalt nicht das Mittel zum Zweck wird und in unserer Bewegung immer weiter in den Vordergrund gerückt wird. Sonst müssen wir uns nicht wundern, dass unsere Fankultur weiterhin von allen Seiten bedroht wird. Schaut euch die Entwicklung in Italien an und ihr werdet sehen, dass dort auch viele Fehler innerhalb der Szenen dazu geführt haben, dass man heute kaum noch eine Freiheit im Stadion genießen kann. Lasst uns nicht die gleichen Fehler wiederholen!
Ich hoffe dass die heutige Demo ein erster Schritt in die richtige Richtung ist und dass der Dialog unter den Führungsleuten der Kurven auch in Zukunft aufrecht erhalten wird. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen und nur wenn alle Szenen gemeinsam ein Ziel verfolgen ist es auch möglich dieses Ziel zu erreichen. Und bedenkt dabei immer, ein Kompromiss ist nicht gleichbedeutend mit einer Niederlage! Als bestes Beispiel kann man da sicherlich die bekannte Initiative „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ aus Österreich nennen.
Die ersten Schritte muss nun jede Szene für sich selbst machen, ihr seid dazu aufgefordert in euren Gruppen eine kritische und selbstreflektierende Diskussion zu starten. Ihr müsst dafür sorgen, dass euer Nachwuchs in der Kurve etwas vorgelebt bekommt an dem er sich orientieren kann. Ihr müsst Werte schaffen um am Ende auch gemeinsam Werte leben zu können, denn wie sagt man so schön:
Man erntet was man sät!