Notizen 2021/22

Hertha BSC – 1. FC Union Berlin 1:4

Tore:
0:1 Haraguchi (31.),
1:1 Baumgartl (ET, 49.),
1:2 Prömel (53.),
1:3 Becker (74.),
1:4 Michel (85.)

Zuschauer: 74.667

Zum Spiel:
Von Beginn an traten nur die Gäste aus Köpenick offensiv in Szene und wieder einmal war es Torwart Lotka zu verdanken, dass Hertha nicht bereits früh hinten lag. Nach einer halben Stunde verschätze sich Lotka bei einer Flanke von Becker, Haraguchi nutze die Lücke zwischen Kempf und Debütant Eitschberger aus der eigenen Jugend und brachte die Gäste in Front. Die einzige gute Chance für Hertha hatte kurz darauf Maolida, dessen Volleyschuss aus knapp 9 Metern aber am Tor vorbeiging.

Hertha schien mit etwas mehr Dampf aus der Kabine zu kommen, setzte Union unter Druck und nach nur zwei guten Pässen war Unions Verteidiger Baumgartl zur Klärungsaktion vor dem lauernden Maolida gezwungen. Baumgartl setzte den Ball ins eigene Tor und Hertha war wieder da. Wie allerdings schon im Pokalderby und generell viel zu häufig in den letzten Jahren lud Hertha den Gegner nur kurz nach dem Aufkeimen von etwas Hoffnung wieder zum Tore schießen ein. Prömel erzielte keine 5 Minuten per Kopf den erneuten Führungstreffer. Hertha konnte keine offensive Durchschlagskraft entfalten und wurde von Union einmal ausgekontert und einmal nach einem ziellosen Befreiungsschlag mit nur einem Pass aufs Kreuz gelegt. Chancenlos ging also auch das dritte Derby der Saison an die Köpenicker.

Ostkurve Hertha BSC:
Für mehrere Tausend Herthaner begann der Spieltag am gemeinsamen Treffpunkt am Lietzsensee. Von hier marschierte der Hertha-Mob unter einigen Gesängen und viel Pyrotechnik hinter der „In Berlin nur Hertha – Hertha nur in Berlin“-Zaunfahne zum Olympiastadion. Auf dem Weg wuchs der Marsch immer weiter an, sodass wir mit einer hervorragenden Masse am Stadion ankamen.

Das erste Einsingen ließ eine großartige Atmosphäre erwarten. Wir starteten mit einer Choreographie ins Derby. Auf einer Blockfahne über die gesamte Ostkurve waren mehrere detailliert gesprühte Sehenswürdigkeiten unserer Stadt zu sehen. Wir legten Wert darauf, nicht auf die bekanntesten Postkarten-Motive zu setzen, sondern viel mehr auf Bauwerke mit Bedeutung für uns in unseren Kiezen. Über die Oberbaumbrücke fuhr eine U-Bahn, die mit einigen Schriftzügen versehen war und in den Brückenbögen konnten die Bezirkswappen erkannt werden. Abgerundet wurde die Blockfahne durch eine riesige Herthafahne im Hintergrund und das bekannte „Von Spandau bis nach Hellersdorf“-Lied, welches das Choreospruchband zierte. Auf der Mauer ging in der Folge ein transparentes Spruchband mit dem Schriftzug „Hertha BSC“ hoch und wir zündeten zu unserer Rückkehr zum ersten Mal organisiert Pyrotechnik in unserer Kurve. Die Fackeln waren nicht optimal verteilt und aufgrund der Helligkeit um 18:30h und der Verteilung kam das Spruchband nicht wie gewünscht zur Geltung. Dennoch ein schöner Anblick, der in seinem chaotischen Charakter sicherlich auch gut zum Stil unserer Kurve passte. Aus der Kurve wurden auch einige Böller auf die Laufbahn geworfen. Dazu wurde die Ostkurve mittels Leibchen in ein blau-weißes Streifenmuster getaucht.

Im Oberring war nach der Choreo „Windhorst und Gegenbauer raus!“ auf einem großen Spruchband zu lesen, welches die Ostkurven-Fahne ersetzte. In dem Machtkampf wird weder der nach Macht strebende, unseriöse Investor von uns unterstützt, noch der Präsident, in dessen Amtszeit unsere Hertha einen ziemlichen Sturzflug hingelegt hat: Vom regelmäßigen Europapokal-Teilnehmer der 2000er Jahre zur Fahrstuhlmannschaft mit Abstiegskampfgarantie in den vergangenen Jahren. Im Kurvenecho äußerten wir uns ausführlich und der Text kam im Nachgang auch auf unsere Homepage.

Der Rahmen war geschaffen und die Kurve, der Oberring und die angrenzenden Tribünen waren beseelt von dem Wunsch, die Mannschaft zum Sieg zu singen. Durchgängig konnte eine gute bis fantastische Lautstärke erreicht werden. Der Auftritt war sehr geschlossen und der Fokus wurde einzig und allein auf das Singen für Hertha BSC gelegt. Ein Höhepunkt war sicherlich das erste gemeinsame Einhaken seit über zwei Jahren. Mit dem 1:3 nach 75 Minuten war die Hoffnung auf einen Derbysieg dann aber endgültig vorüber und die Lautstärke nahm merklich ab. Die Kurve intonierte noch gemeinsam das „Nur nach Hause“, ehe der Schiedsrichter pünktlich abpfiff.

Die Enttäuschung über die erneut kopf- und zahnlose Leistung und die dritte Derbyniederlage der Saison führte zur emotionalen Reaktion, dass wir die Spieler aufforderten, ihre Trikots auszuziehen und vor der Kurve niederzulegen. Wir haben dies nicht gefordert, weil die Mannschaft verliert oder im Abstiegskampf steckt. Diese Mannschaft lässt seit 3 Jahren viele Grundtugenden wie Kampfeswillen oder Aufopferungsbereitschaft für Hertha BSC vollkommen vermissen. Nicht zuletzt deshalb wurden in dieser Saison alle Derbys chancenlos und erbärmlich verloren, was auch unseren ewigen Traum vom Pokalfinale im eigenen Stadion zerplatzen ließ. Wir haben während der Pandemie auf Unterstützung im Abstiegskampf gesetzt, haben die Mannschaft mit Busempfängen, Besuchen beim Training oder am Mannschaftshotel zu motivieren versucht. Was wir erwarten, ist kein Zauberfußball. Was wir erwarten, ist der erkennbare Wille der Spieler, ihr Bestes für Hertha BSC zu geben. Wenn es dann aufgrund fehlender Qualität nicht reicht, dann ist es so. Doch dieser Wille ist seit nunmehr 3 Jahren selten bis nie erkennbar. Die Mannschaft ergibt sich viel mehr in ihr Schicksal und ist nicht gewillt, fußballerische Defizite durch ihren Kampfgeist – wenigstens teilweise –auszugleichen. Insofern hat sich diese Mannschaft unserer Meinung nach die Fahne auf der Brust nicht verdient.

Wir bereuen diese Aktion nicht. Dennoch müssen wir so ehrlich sein, dass sie letztlich die falschen Akteure getroffen hat, denn die Spieler, die sich den Emotionen der Kurve stellten, waren überwiegend die jungen Spieler: Mittelstädt, Gechter, Dardai, Lotka, Ersatzmann Christensen, Pekarik, Darida. Dass gerade die jungen Spieler allen voran Schlussmann Lotka, der auch in diesem Spiel eine schlimmere Niederlage maßgeblich verhinderte, den Zorn abbekamen, ist nicht gut. Das liegt natürlich zuvorderst daran, dass gestandene, erwachsene, erfahrene Spieler wie „Kapitän“ Boyata oder Ishak Belfodil den Weg in die Kurve gar nicht erst antraten und Akteure wie Serdar, Ascacibar oder Lee auf Abstand blieben und schnell wieder abdrehten. Dass sich die jungen Spieler der Kurve stellten, stimmt uns indes auch positiv, da zumindest bei ihnen eine starke Identifikation mit unserem Verein erkennbar wirkt.

Gästefans:
Union traf sich am Savignyplatz, um von hier zum Stadion zu gelangen. Einen Choreoschal mit dem Schriftzug „Union Berlin“ hatten die Gäste gemeinsam mit dem Verein vorbereitet. Der konnte für 10 Euro erworben werden und ein Großteil des Gästeblocks trug ihn um den Hals.

Die mitgebrachte Zaunfahne für den Oberring war um einige Meter zu lang und das mittig platzierte Vereinswappen wurde zusammengeklappt. Mit den Schals erzeugte man ein geschlossenes Bild und die gut 14.000 Unioner wirkten bei ihren Gesängen gut koordiniert, die Mitmachquote schien bei den vielen Wechselgesängen wirklich hoch zu sein. Aufgrund des eigenen Auftritts konnten wir die Köpenicker allerdings erst zum Ende des Spiels gut vernehmen, als die Niederlage unausweichlich war. Abseits der Schals hatte der Gästeblock kaum Materialien vorzuweisen. Wenige Zaunfahnen waren im Gepäck, sodass der Oberring auf einer Seite vollkommen verwaist war. Schwenkfahnen waren nur zwei im Einsatz. Der Gästeblock hatte zwar deutlich mehr Schwenkfahnen dabei, nutzte diese aber nur in der Halbzeit, um sich darunter zu vermummen.

Die Pyroaktion zu Beginn der zweiten Halbzeit sah sehr gut aus, was auch an der guten Verteilung lag, die deutlich besser war als in der Ostkurve zu Beginn des Spiels. Immer wieder loderte es in der zweiten Halbzeit im Gästeblock. Mit dem Schlusspfiff feierte der Gästeblock gemeinsam mit der sofort in die Marathonkurve rennenden Mannschaft ausgiebig den nächsten Derbysieg. Gemessen an den früheren Derby-Auftritten und dem klaren, sportlichen Ergebnis bleibt ein durchschnittlicher Auftritt der Köpenicker.