Vorab ein kurzer Denkanstoß zum Thema Entwicklung, junge Generationen und die Werte der Ultras: Generell müssen wir feststellen, dass die Weitergabe der Ideale und Werte der Ultras an die jungen Generationen bisher nicht nach unseren Wünschen funktioniert. Das Selbstverständnis, dass das alles schon da war und heute nichts mehr erkämpft werden muss, ist in vielen Bereichen leider omnipräsent. Entwicklungen wie Social Media werden, gerade von Leuten die neu in die Fanszene strömen, zu großen Teilen unkritisch benutzt und konsumiert. Und das, obwohl über diese Medien oft ein (teilweise) vollkommen falsches Bild von Ultras transportiert wird, welches leider wenig mit Selbstbestimmung, Freiheit, Authentizität, Loyalität oder Fanatismus zu tun hat. Diese Entwicklung ist ein gesellschaftliches Problem und somit auch ein Problem der Fanszenen, auf welches auch wir die richtigen Antworten finden müssen, um über unser direktes Umfeld hinaus auf die Jugend in unserer Kurve einzuwirken und ihnen die wirklichen Werte der Ultras vermitteln zu können!
Saison 2018/2019
Auch die Saison 2018/2019 bot wieder die komplette Achterbahn der Gefühle für uns und die Fanszene, wobei neben Höhen auch wieder der ein oder andere neue Tiefpunkt erreicht wurde. Besonders das eh schon angespannte Verhältnis zur Vereinsführung kippte komplett und der Graben zwischen der Ostkurve und der Haupttribüne wurde sinnbildlich immer tiefer und breiter. Für Jubelarien und feuchtfröhliche Stunden sorgten dagegen historische Siege unserer Hertha, viele Geburtstage in unserer Fanszene, inklusive unserem 20. Jubiläum, und lange An- und Abreisen in den ersten selbst organisierten Sonderzügen unserer Fanszene. Doch das Ereignis welches sich wohl am tiefsten ins Gedächtnis eingebrannt hat und uns auch in den kommenden Monaten und vielleicht sogar Jahren beschäftigen wird, ist das Auswärtsspiel in Dortmund und die Folgen eines völlig planlosen und überzogenen Einsatzes der Polizei im Gästeblock. Doch fangen wir von vorne an…
Die erste Überraschung gab es mitten in der Sommerpause, als plötzlich die Nachricht von einem Testspiel in Bergamo die Runde machte. Hertha hatte eine Einladung zur „Trofeo Bortolotti“ erhalten und sollte schon wenige Tage später bei Atalanta antreten. Viel Zeit blieb also nicht und so ging es nicht mal zwei Wochen später mit zwei Bussen und ein paar Autos in Richtung Norditalien. Aus der anvisierten frühen Anreise in die Stadt wurde nichts, denn der Ferienverkehr und die Bullen an der Mautstelle kurz vor Bergamo machten uns einen Strich durch die Rechnung. So ging es im Polizeikonvoi direkt bis in den Gästekäfig und die Jungs aus Bergamo und Frankfurt bekamen uns nur aus der Ferne zu sehen. Auch nach dem Spiel blieb es beim Blickkontakt aus bzw. in den Gästekäfig, denn aufgrund der Lenkzeiten der Busfahrer und aus Sicherheitsgründen riegelten die Bullen den Gästekäfig stundenlang ab und begleiteten unsere Busse und Autos dann ab 4 Uhr in der Nacht zurück bis auf die Autobahn. Somit war dann auch erst sehr spät Feierabend für die einheimischen Ultras und deren Freunde, welche die ganze Nacht noch rund um das Stadion positioniert waren und auf abreisende Herthaner lauerten. Trotzdem ein sehr interessanter Ausflug in eine ganze andere Welt.
Das erste Pflichtspiel unserer Hertha stand dann traditionell in der ersten Pokalrunde an, welche uns in dieser Saison nach Braunschweig führte. Mit einem großen „Montagsspiele abfackeln!“ und passender Untermalung wurde dieser Pokalabend eingeläutet und es folgte ein geschlossener und lautstarker Support des ausverkauften Gästeblocks der auch später nochmal mit etwas Pyro abgerundet wurde. Auch am bundesweiten Protestspieltag gegen DFB/DFL beteiligten wir uns per Spruchband und untermauerten die Aktion später noch per Stellungnahme und Ankündigung für einen weiteren bundesweiten Protestspieltag in der ersten Englischen Woche der Saison. Hertha gewann die Partie gegen Braunschweig unerwartet souverän und somit konnten wir gespannt auf die Auslosung der nächsten Runde warten, welche uns ein Auswärtsspiel in Darmstadt bescherte.
Der erste Aufreger der Saison durch unsere Vereinsführung ließ nicht lange auf sich warten und kam schon gleich zum Heimspielauftakt. Am Abend vor dem Spiel erreichte uns die Hiobsbotschaft, denn ab sofort sollte unsere Vereinshymne „Nur nach Hause“ gegen „Dickes B“ von „Seeed“ getauscht werden. Zusätzlich wollten die Verantwortlichen bei Hertha die Einsingphase abschaffen und den Stadionbesucher lieber direkt bis zum Anpfiff mit Musik und Werbung dauerbeschallen. Als Vorwand musste mal wieder die Mannschaft herhalten, welche sich diese Änderungen angeblich gewünscht hatte. Unter diesen Umständen begann die Stimmung im Olympiastadion kämpferisch, da die Ostkurve zum Einlaufen der Mannschaften laut mit „Nur nach Hause“ gegen „Dickes B“ ansingen musste, während der Rest der Herthaner im Olympiastadion sich mit eine Pfeifkonzert gegen das Showprogramm wehrte. Im Nachgang wurde die ganze Show von Preetz und Keuter runtergespielt und ganz schnell wieder die alte Routine eingeführt, der Druck der Herthaner und auch der Öffentlichkeit war einfach zu groß und die Marketingabteilung hatte das nächste Fettnäpfchen erwischt. Glücklicherweise konnte der Heimsieg gegen den Aufsteiger aus Nürnberg die frustrierten Herthaner trösten, ehe es zum ersten Auswärtsspiel am folgenden Sonntag nach Gelsenkirchen ging.
Voll war der Gästeblock bei diesem Sonntagstermin im Ruhrpott natürlich nicht und bis kurz nach Anpfiff gab es sogar ziemlich große Lücken, denn die Polizei Bochum musste auf dem Gästeparkplatz noch unter fadenscheinigen Argumenten die Insassen unseres Doppeldeckers festhalten. Die anderen Ultras und Gruppe der Ostkurve warteten zusammen mit uns, weshalb wir erst verspätet im Gästeblock eintrafen. Möglicherweise wollten die Beamten auch nur einen filmreifen Auftritt ermöglichen, denn so waren wir gerade frisch im Block, als der S04 einen Elfmeter verschoss und Herthas Duda im Gegenzug traf. Geniale Emotionen brachen sich Bahn und wurden mit einer Fackel untermalt. Geschmückt wurde der Block heute anders als sonst, denn aufgrund unseres 20-jährigen Jubiläums wurde die alte „Hertha BSC Harlekins“-Fahne aus der Gründungszeit präsentiert. Die Stimmung entwickelte sich danach ausgelassen und so wurde ein guter Mix aus Anfeuerung, Unmutsbekundungen gegen Schalke und purer Freude gefunden, welcher immer mal wieder pyrotechnisch unterstützt wurde. Mit dem späten 0:2 Freistoßtor durch Duda explodierte der Block dann nochmal richtig und somit konnte auf der Rückfahrt kräftig auf das eigene Jubiläum und auf den historischen Auswärtssieg in Gelsenkirchen angestoßen werden, denn Hertha gewann hier zuletzt vor über 14 Jahren die letzte Bundesligapartie gegen den S04. Doch die Party nahm kein Ende, denn am folgenden Länderspielwochenende stand die große Geburtstagsfeier unserer Gruppe in Berlin auf dem Programm. Mit unseren Brüdern aus Karlsruhe ging es am Nachmittag schon auf der Spree einmal quer durch Berlin, ehe am Abend dann die große Party im „Postbahnhof am Ostbahnhof“ startete, zu der viele Freunde und Wegbegleiter aus Nah und Fern eintrudelten. Ein unvergesslicher Abend, der für einige Jungs von uns auch tief unter die Haut ging!
Nach dem großen Sieg gegen den Vizemeister aus Gelsenkirchen, ließ die nächste Überraschung nicht lange auf sich warten. Schon im darauffolgenden Heimspiel gegen Mönchengladbach setzte Hertha den positiven Trend fort und fegte die Gäste mit 4:2 vom Rasen. Im Laufe des Nachmittags zeigte die Ostkurve mal wieder ihr großes Potenzial und präsentierte nebenbei noch zahlreiche Spruchbänder. So zum Beispiel zur Rückkehr von „Nur nach Hause“, gegen Herthas Geschäftsführungsmitglied Paul Keuter, welcher maßgeblich für die Neuausrichtung unserer Hertha verantwortlich ist, sowie zwei Spruchbänder die sich zur – nun offiziellen – Freundschaft zwischen den Ultras vom 1. FC Union und Borussia Mönchengladbach äußerten.
Am 6. Spieltag kam es dann zum Spitzenspiel im Olympiastadion, denn der FC Bayern gastierte bei unserer Hertha unter Flutlicht zum Freitagabendspiel. Diese Flutlichtspiele haben bei uns immer ihren eigenen Reiz und wenn es dann noch gegen den Rekordmeister geht, ist die Motivation besonders groß. Diese Motivation war auch von Beginn an zu spüren und steigerte sich mit jeder gespielten Minute, denn Hertha duellierte sich heute mit den Münchnern auf Augenhöhe. Kein Halten mehr gab es dann nach dem Pfiff und ganz besonders dem verwandelten Elfer von Ibisevic und bis zur Halbzeitpause fegte ein echter Stimmungsorkan durch das Olympiastadion. Als dann kurz vor der Pause Duda, nach einer perfekten Hereingabe von Lazaro, den Ball in die Maschen jagte stand das Stadion endgültig Kopf. Bis weit in die Pause hinein schallten die Gesänge durch das Rund und nach vielen Jahren wurde mal wieder ein Herthator in der Ostkurve mit etwas Pyrotechnik zelebriert. Ein weiterer historischer Sieg für unsere Hertha, denn gegen den FCB hatten wir seit über 9 Jahren keinen Sieg erlebt. Zudem krönte Hertha mit diesem Sieg den hervorragenden Saisonstart mit dem 3. Tabellenplatz.
Doch die positiven Schlagzeilen verschwanden so schnell wie sie gekommen waren, denn der Rest der Hinrunde wurde mal wieder verpennt. Der Spielwitz aus den ersten Partien war schnell verflogen und somit landeten wir und unsere Mannschaft schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen. Gründe zum Feiern gab es trotzdem und so zelebrierte die „Crew `08“ beim Auswärtsspiel in Mainz ihren 10. Geburtstag mit Fähnchen, Pilskronen, Wurfrollen und blau-weißem Rauch. Ein Sieg blieb uns vergönnt, stattdessen gab es ein langweiliges 0:0 auf dem Rasen zu beobachten. Ein weiteres Jubiläum, inklusive der nächsten Choreo, stand dann in Dortmund an. Die Besonderheit bei diesem Auswärtsspiel lag aber zunächst in der Anreise, denn zum ersten Mal reiste die Fanszene mit einem eigenen Sonderzug der „Ostkurve Hertha BSC“ an. Eigene Organisation, eigener Ticketverkauf, eigenes Personal für Essen und Getränke. Entspannt und ohne Bullen ging es Richtung Ruhrpott, ehe es in Dortmund dann selbst richtig eskalierte. Denn wie schon angedeutet, stand der nächste Geburtstag auf dem Plan und die „Hauptstadtmafia“ ließ es sich nicht nehmen diesen 15. Jahrestag auch im Gästeblock zu feiern. Hinter einem großen Frontbanner mit dem Geburtstagsmotiv wurden viele kleine Herthafahnen verteilt und im Nachgang der Gästeblock mit blauem Rauch eingenebelt. Dazu wurde auch noch eine größere Menge an Fackeln entzündet. Als dann rund 10 Minuten nach Spielbeginn in unserem Bereich nochmal eine Fackel leuchtete, marschierte die Dortmunder Polizei unten vor dem Gästeblock auf und fing an das Frontbanner der Choreo zu beseitigen. Andere Beamte griffen auch nach Zaunfahnen vorne an der Balustrade, was den Gästeblock natürlich in Rage brachte. Selbstverständlich versuchte eine größere Anzahl von Herthanern die Fahnen zu schützen bzw. diese in den Block zu geben, doch die Polizei griff ohne vorherige Warnung diese Personen an und verteilte massenweise Pfefferspray und Knüppelhiebe an alle Herthaner in direkter Umgebung. Nun eskalierte die Situation und es kam zu heftigen Auseinandersetzungen direkt vor dem Gästeblock, wobei durch die beherzte Gegenwehr letztendlich alle Zaunfahnen im Gästeblock gesichert wurden und nur einen Teil des Frontbanners durch die Polizei erbeutet werden konnte, da in dem ganzen Chaos das Banner von den Bullen durchgeschnitten wurde. Nach einigen Minuten der Ratlosigkeit und des Verschnaufens schlug die Stimmung dann endgültig um und es kam zu einem Angriff auf die Polizei hinter dem Block. Minutenlange herrschte Anarchie, ehe die Bullen mit Pfefferspray, Knüppeln und einem beherzten Gegenangriff für Ruhe sorgten. Der Support war bereits nach dem ersten Angriff der Polizei eingestellt worden bzw. kam nur noch sehr sporadisch auf. Das Spiel wurde für den Großteil der mitgereisten Herthaner, trotz einer tapferen Leistung unserer Truppe auf dem Rasen und einem verdienten 2:2 Unentschieden, zur absoluten Nebensache. Erst im Sonderzug, auf dem Rückweg nach Berlin, realisierten wir was hier heute eigentlich geschehen war. Einige Verletzte lagen in Dortmund im Krankenhaus, andere Jungs von uns waren schon auf dem Weg nach Berlin und wollten sich lieber dort ärztlich versorgen lassen. Die Telefone standen nun nicht mehr still, denn auch die Medien überschlugen sich an diesem Abend mit ihren Randalemeldungen. Die Verteidigung unserer Materialien und Werte kostete uns jedoch nicht nur ein paar verletzte Leute, sondern wird in der nahen Zukunft wahrscheinlich eine große Schneise in unserer Fanszene hinterlassen. Laut Polizeiangaben wird von der eigens eingerichteten Sonderkommission in Dortmund gegen rund 90 Personen ermittelt, wobei aktuell gegen rund 60 Personen ein Ermittlungsverfahren läuft. Dank der „Fanhilfe Hertha BSC“ und der tatkräftigen Unterstützung aus Dortmund wurden bis jetzt noch keine Stadionverbote ausgesprochen, doch wir rechnen aktuell eigentlich jeden Tag mit einer großen Anzahl an Briefen vom BVB. Und auch die möglichen Folgen der Anzeigen lassen sich im Moment nur erahnen, werden uns aber sicherlich noch die nächsten Monate und ggf. sogar Jahre beschäftigen. Denn natürlich wollen die Bullen, die Medien und auch der DFB endlich Konsequenzen sehen, egal wer für die Eskalation im Dortmunder Gästeblock eigentlich verantwortlich war.
Einen Beitrag zur aufgeheizten Stimmung rund um die Ereignisse leistete auch unser eigener Verein. Kurz nach dem Abpfiff des Spiels musste Michael Preetz mal wieder seine unqualifizierten Kommentare in die Mikrofone der Medien geben. Ohne Sachkenntnisse über die Vorfälle im Gästeblock und ohne Kontaktaufnahme mit den Betroffenen, waren die Schuldigen für ihn sofort gefunden: Die Fans! Gekrönt wurde diese Haltung dann mit einem zeitlich unbegrenzten Materialverbot, welches in der Woche vor dem folgenden Heimspiel gegen Leipzig verkündet wurde. Keine Spruchbänder, keine Doppelhalter, keine Schwenkfahnen… Im gesamten Olympiastadion! Mehr als Grund genug für uns endlich mal ein deutliches Zeichen zu setzen. Auf einem eilig einberufenen Treffen der „Ostkurve Hertha BSC“ wurde sich auf einen Stimmungsverzicht für das anstehende Heimspiel geeinigt. Wichtig war uns dabei, dass Trainer und Mannschaft wissen, dass sich das Schweigen nicht gegen sie richtet, sondern als Zeichen an die eigene Vereinsführung zu verstehen ist. In einem persönlichem Gespräch wurde Pal Dardai diese Nachricht am Abend vor dem Spiel mitgeteilt.
Zwischen dem ganzen Stress ging es unter der Woche dann mal eben noch schnell nach Darmstadt, wo die zweite Pokalrunde stattfinden sollte. Ohne größere Probleme konnte sich Hertha gegen den SVD durchsetzen und für uns gab es zahlreiche Unterstützung von unseren Brüdern aus Karlsruhe. Der Spieltag gegen Leipzig glich dann einer Trauerveranstaltung. Nicht eine einzige Hertha-Zaunfahne hing im gesamten Olympiastadion, keine Schwenkfahnen waren in der Ostkurve zu sehen und bis auf wenige Minuten gegen Ende des Spiels gab es so gut wie keine Unterstützung für unseren Verein. Ein Spruchband schaffte es an diesem Nachmittag in die Ostkurve und wurde während des „Nur nach Hause“ und auch in den ersten Spielminuten gezeigt: „Gegen Kollektivstrafen!“ Ein deutliches Zeichen gegen Preetz, der vor der Partie noch von einer protestierenden Minderheit sprach. Spätestens jetzt gab es für uns keine Grundlage mehr für irgendwelche Gespräche und der eh schon sehr schlechte Draht zur Vereinsführung wurde endgültig gekappt. Dass aus dieser Situation, einige Monate später, ein zaghafter Versuch hin zu einem erneuten Gespräch in Form einer Einladung zu einer Mediationsrunde seitens der Verantwortlichen entspringen würde, hätte damals keiner von uns gedacht.
Sportlich und auch fantechnisch gab es kaum noch Highlights in der restlichen Hinrunde. Den nächsten Sieg gab es erst wieder auswärts gegen Hannover, wobei es zahlenmäßig allerdings einer der schwächsten Auftritte im Niedersachsenstadion seit vielen Jahren war. Nur rund 2.500 – 3.000 Herthaner reisten an die Leine und so blieben in den Nebenblöcken viele Plätze frei. Auch stimmungsmäßig war es in den ersten 45 Minuten sehr mau. Dies lag allerdings nicht an der Motivation des Gästeblocks, sondern am ausgerufenen zweiten Protestspieltag mit Stimmungsboykott, an dem sich bundesweit nahezu alle Fanszenen von der Bundesliga bis zur Oberliga beteiligten. Hiermit sollte ein klares Zeichen gegen fanunfreundliche Anstoßzeiten und die generelle Entfernung der Verbände von der Basis gesetzt werden. Bei unserem Spiel gelang dies überzeugend, denn auch die Heimseite schwieg komplett. Passend dazu zeigten wir zunächst das Spruchband „Vereine, ihr habt es in der Hand – Für fangerechte Anstoßzeiten!“ und hängten statt unserer Zaunfahnen nur die bekannte Fahne: „Herthafans gegen Montagsspiele und für fangerechte Anstoßzeiten!“ auf. Mit dem Pausenpfiff begann dann ein leidenschaftlicher Support der Herthaner. Beflügelt durch die Führung merkte man jedem Mitgereisten an, dass er die 45 Minuten aufgesparte Energie nun loswerden wollte. Diese Stimmung konnte über die gesamte zweite Hälfte getragen werden und mit einem 0:2 Auswärtssieg ging es zurück nach Berlin.
Im folgenden Heimspiel stand dann das Duell mit Frankfurt an und Heimspiele gegen die Eintracht haben sich aus Sicht unserer Fanszene in den letzten Jahren zu besonderen Aufeinandertreffen entwickelt. Deshalb waren wir auch in diesem Jahr wieder auf alle Möglichkeiten gefasst, doch bis kurz vor Spielbeginn blieb es erstaunlich ruhig in Berlin. Rund anderthalb Stunden vor Anpfiff tauchten dann plötzlich 150 Ultras aus Frankfurt in Stadionnähe auf, wurden aber sofort per dichtem Polizeikessel in Richtung Gästeeingang begleitet. Auf Höhe des Ostkurven-Parkplatz kam es dann noch zu einigen Rennereien, wobei viele Ultras nochmal aus dem Stadion stürmten, doch ein rankommen an die Frankfurter war nahezu unmöglich. Gut motiviert legte die Ostkurve los, pendelte sich aber viel zu schnell auf Normalniveau ein. So plätscherte die erste Hälfte mal besser, mal schlechter vor sich hin. Angetrieben durch die 1:0 Führung konnte die zweite Hälfte dann wieder lauter und entschlossener begonnen werden und auch bedingt durch das kämpferische Spiel entwickelte sich stimmungstechnisch eine gute zweite Hälfte. Am Ende konnten wir einen knappen Sieg mitnehmen und erlebten einen insgesamt sehr ruhiges Drumherum, wobei die Bullen in den letzten Jahren rund um diese Spiele auch ziemlich auf zack sind.
Der erste große Fixpunkt im neuen Jahr hieß dann Pokal-Achtelfinale zuhause gegen den FC Bayern! Und auch die „Ostkurve Hertha BSC“ wollte ihren Teil zu einem gelungenen Fußballabend beitragen und startete mit einer großen Choreografie ins Spiel. Am Oberrang wurde ein Spruchband entrollt, auf dem sich die Formel „Hertha ist unschlagbar…“ mehrfach mantraartig wiederholte. Dazu gab es im Unterrang tausende blaue und weiße Fähnchen, sowie eine Blockfahne in Hypnose-Optik. Dass die runde Blockfahne sich drehte war teilweise nur schwer zu erkennen, zufrieden waren wir mit der Choreo und deren Aussage aber trotzdem. Die frühe Führung durch den jungen Mittelstädt und seinen Jubel direkt vor der Ostkurve brachte natürlich ordentlich Stimmung ins weite Rund, sodass wir über den gesamten Abend gesehen sehr zufrieden mit der Leistung der gesamten Ostkurve und auch weiten Teilen des ganzen Olympiastadions waren. Immer wieder stiegen große Teile in die Gesänge ein und auch der Oberrang und weitere umliegende Blöcke beteiligten sich am Support. Nach dem zwischenzeitlichen 1:2 für die Bayern war kurzzeitig die Luft raus, ähnlich wie die Mannschaft stemmten wir uns aber leidenschaftlich gegen die Niederlage. Das unglückliche Aus kam dann in der Verlängerung und somit war auch in diesem Jahr der Traum vom Finale im eigenen Stadion vorzeitig beendet.
Keine Wiedergutmachung aber zu mindestens ein kleines Trostpflaster gab es für die mitgereisten Herthaner dann drei Tage später in Mönchengladbach. Gewinnen wollten wir hier endlich mal wieder, was der Mannschaft an diesem Tag auch mit einem überzeugenden 0:3 Auswärtssieg gelang. Um dem Ausflug in den tiefen Westen der etwas Abwechslung zu verleihen, ging es mit zwei Doppeldeckern und zwei weiteren Bussen recht zeitig in Berlin los. Schon gegen 10 Uhr erreichten wir Neuss am Rhein und ließen uns dort in der Altstadt in einigen Lokalen nieder. Bei Speis und Trank wurde sich auf den Auswärtssieg eingestimmt, ehe es gegen Mittag dann zu Fuß durch Neuss und weiter per Bahn nach Mönchengladbach ging. Rund 1.600 Herthaner hatten sich zur besten Fußballzeit im Gästeblock eingefunden. Angetrieben vom starken Auftritt der Mannschaft lieferten auch die mitgereisten Herthaner eine gute Leistung ab. Einer der schlechtesten Gästeblöcke der Liga wurde ansprechend mit Zaunfahnen bestückt, im Block ergänzten zahlreiche Schwenkfahnen und einzelne Doppelhalter das ansprechende Bild. Besonders in der zweiten Hälfte legte der Gästeblock nochmal eine ordentliche Schippe drauf und jagte zahlreiche lautstarke Gesänge in Richtung Rasen und Heimtribüne, wobei natürlich auch die Grüße nach Köpenick nicht fehlen durften. Zum Abschluss gab’s noch eine Schalparade zum „Nur nach Hause…“ und ein kleines Gesangsduell mit den wenigen verbliebenen Heimanhängern.
Das nächste Heimspiel gegen Werder stand dann ganz im Zeichen des „Hertha Echo“. Am Vormittag weilten Vertreter der Ultras, Gruppen und Fanclubs der Ostkurve noch bei der letzten Livesendung im Studio, am Nachmittag gab es dann unser Geschenk im Stadion. Denn besondere Ereignisse benötigen einen besonderen Rahmen und so schenkte die „Ostkurve Hertha BSC“ dem „Hertha-Echo“ zum 30-jährigen Jubiläum eine kleine Choreographie in Form einer Blockfahne, welche von Herthafahnen und Zetteln umrandet wurde. Denn genau an diesem Samstag sendete das Radio-Team die letzte Ausgabe und stellte somit exakt 30 Jahre nach der ersten Ausstrahlung den Betrieb ein. Damit endet eine ganz besondere Ära, denn das „Hertha Echo“ war die erste regelmäßige Radiosendung von Fußballfans in Deutschland. Ein kleines Geschenk gab es auch von der Mannschaft, denn immerhin führte unsere Hertha bis in die Nachspielzeit mit 1:0, ehe Pizarro in letzter Sekunde doch noch irgendwie das Tor zum 1:1 Endstand traf.
Mit dem Auswärtsspiel in München stand dann der zweite eigene Sonderzug der „Ostkurve Hertha BSC“ auf der Agenda. Auch an diesem Tag lief alles wieder bestens, lediglich im Stadion mussten wir eine knappe 0:1 Niederlage verkraften. Eingeläutet wurde die Partie auf unserer Seite mit einigen Schwenkfahnen, sowie ein paar Kassenrollen und Pilskronen. Dafür dass das Zeug in München nicht erlaubt ist und es auch eher spontan eingepackt wurde, machten die paar Sachen optisch schon etwas her. Die Lieder gingen heute relativ locker von der Seele, erreichten aber nur ganz selten eine wirklich passable Lautstärke. Umso lauter sang dafür die kleine Fraktion aus Genua, für die es das erste Auswärtsspiel bei unserer Hertha war und die erkennbar Spaß hatte. Und auch aus Strasbourg gab es Unterstützung für die Alte Dame von der Spree, doch leider konnten unsere ausländischen Freunde heute keinen historischen Sieg in München erleben. Somit wartet Hertha weiterhin seit 1977 auf einen Dreier beim FC Bayern!
Wie auch schon in der Hinrunde, fehlten zum Ende der Rückrunde die wirklich interessanten Begegnungen und Gegner. Die Ergebnisse unserer Hertha pendelten sich mittlerweile auch im normalen Bereich ein und der große Punktevorsprung aus der Anfangsphase der Saison schmolz immer weiter weg. Während zu Beginn der Saison noch vom Europacup geträumt wurde, redeten Pessimisten nun schon über den drohenden Abstieg. Da die Konkurrenz jedoch auch schwächelte, kam es zum Glück nicht ganz so schlimm. Also galt es für uns eigene Highlights zu setzen! Eines dieser Highlights war sicherlich auch der Besuch einer großen Abordnung aus Karlsruhe zu unserem Heimspiel gegen Dortmund. Bereits am frühen Morgen reisten rund 120 Karlsruher nach Berlin und gemeinsam verbrachten wir zusammen mit unseren Freunden den Vormittag in einer Lokalität am Alexanderplatz. Mit rund 250 Leuten ging es dann zum Berliner Dom und weiter zum Hackeschen Markt, ehe nach einer kleinen Bierpause der Mob in Richtung Olympiastadion aufbrach. Schwungvoll wie die Mannschaft, startete auch die Ostkurve in die Partie. Von Anfang an konnte eine hohe Mitmachquote und eine gute Lautstärke erreicht werden. Nach der frühen Führung stand die Ostkurve natürlich Kopf und lieferte eine gute erste Hälfte ab. Weniger positiv startete allerdings der Support im zweiten Durchgang. Über lange Strecken blieb es eine schwache Leistung der Ostkurve und die Dortmunder übernahmen die Stimmungshoheit im Olympiastadion. Lediglich das „Nur nach Hause“ kurz vor dem Abpfiff konnte nochmal etwas Geschlossenheit symbolisieren. Insgesamt bleibt aber eine schwache Leistung der Ostkurve in Erinnerung. Dabei waren die Voraussetzungen an diesem Abend relativ gut, auch weil endlich mal wieder ein anspruchsvolles Spiel mit viel Action auf dem Platz geboten wurde, welches leider knapp mit 2:3 verloren wurde.
Für das Heimspiel gegen Düsseldorf wurde dann zum ersten Mal eine Schalchoreo über die ganze Ostkurve geplant. Die Umsetzung funktionierte perfekt und der Verkauf der Schals vor den Eingängen der Kurve lief so gut, dass am Ende jeder Herthaner in der Ostkurve einen Schal in der Hand hatte. Die Vorderseite bestand aus einem blau-weißen Balkenmuster, einer Herthafahne und dem Schriftzug „Berlin“, während auf der Rückseite der Berliner Bär von den Wappen der Stadtbezirke umrandet wurde. Passend dazu stand auf der Rückseite auch noch das bekannte Motto „In Berlin nur Hertha, Hertha nur in Berlin!“ Diese Rückseite des Schals bildete auch den Rahmen für die Choreo, denn dieses Motiv wurde in Übergröße vor der Ostkurve als Frontbanner präsentiert. Dazu zeigte die Ostkurve geschlossen die Vorderseite mit dem „Berlin“ in Richtung Spielfeld und sang das „Nur nach Hause“ zum Einlaufen unserer Hertha. Mit der positiven Energie der Choreo im Rücken startete die Kurve in eine sehr gute erste Hälfte, wobei der Support, unabhängig vom schwachen Spiel der Mannschaft, bis zur Halbzeitpause konstant und lautstark war. In der zweiten Hälfte schwand die Motivation dann zunehmend, wobei ein Teil der Ostkurve auch weiterhin versuchte die Mannschaft und auch sich selbst zu pushen. Geholfen hat es am Ende nichts, Hertha musste sich dem Aufsteiger aus Düsseldorf mit 1:2 geschlagen geben.
Das nächste kleine Highlight war dann das letzte Auswärtsspiel in Augsburg. Dritter Sonderzug der Saison – natürlich wieder in Eigenregie der „Ostkurve Hertha BSC“, Choreo und blauer Rauch, ausgelassene Stimmung im Gästeblock und ein 3:4 Auswärtssieg. Besser geht’s nicht! Und weil die fleißigen Choreobastler und Organisatoren in unseren Reihen offensichtlich nie genug bekommen, stand am nächsten Wochenende auch schon das letzte Saisonspiel an. Traditionell wurde wieder zum Saisonabschlussmarsch aufgerufen, der in diesem Jahr unter dem Motto „In Berlin nur Hertha, Hertha nur in Berlin!“ stand. Tausende Herthaner zogen unter lauten Gesängen und jeder Menge Pyro in Richtung Olympiastadion. Dort lagen in der Ostkurve dann schon zwei Zettel auf jedem Platz bereit, denn an diesem Samstag sollte es die erste Zettel-Wechselchoreo in der Geschichte unserer Fanszene geben. Das Motto des Fanmarschs war natürlich auch das Choreomotto, wobei der Motivwechsel in der Ostkurve eindrucksvoll gelang. Die kleinen Schönheitsfehler in dem einen oder anderen Buchstaben stammten eher von Fehlern beim Auslegen. Das Endergebnis der Choreo macht somit Mut für weitere Aktionen in dieser Richtung. Schon aus Tradition verschenkte die Mannschaft das letzte Heimspiel mit 1:5 an Leverkusen, was die vielen Herthaner beim Saisonabschlussgrillen aber weniger störte, als der Ärger über den gesamten Saisonverlauf – Hertha beendete die Spielzeit auf dem 11. Tabellenplatz, die vielen vergebenen Chancen sich oben festzubeißen und der Frust über den Umgang der Vereinsführung mit den eigenen Fans. Denn neben dem Theater rund um die Vorfälle in Dortmund, sorgte während der ganzen Saison auch die Stadiondiskussion in Berlin für viel Verwunderung und zum Teil auch Verärgerung in der Hertha-Gemeinde. Großspurig wurde die Eröffnung eines reinen Fußballstadions für 2025 angekündigt, ehe Herthas Manager irgendwann mal von der Realität eingeholt wurden. Ein geeignetes Gelände gibt es bis heute noch nicht!
Der große Hammer folgte dann jedoch in der Sommerpause: Bei Hertha BSC steigt der nächste Investor ein! Die Investmentfirma „Tennor Holding B.V.“ erwirbt für rund 125 Millionen Euro 37,5% an der „Hertha BSC GmbH & Co. KGaA“ und sichert sich gleichzeitig das Recht, per Aufstockung die Anteile auf 49,9% zu erhöhen. Das bedeutet also, dass demnächst fast 50% des ausgegliederten Profibereichs in fremden Händen sind, wobei der Investor seine Anteile natürlich auch irgendwann weiterverkaufen kann. Ob damit nicht vielleicht auch die letzte Patrone verschossen wurde!? Beim Investor „KKR“ hatte Hertha noch realistische Möglichkeiten die Anteile zurück zu kaufen, nun wird so was bei einem Volumen von mindestens 250 Millionen Euro schon deutlich schwieriger. Am Ende musste Hertha dieses Angebot wohl annehmen, ansonsten wären die Schulden aus den Rückkäufen von Investoren und Anleihen wohl ins unermessliche gestiegen. Eigene Anteile verkaufen um Schulden zu tilgen! Eine besorgniserregende Geschichte… Wir als Ultras werden und müssen hier, wie auch bereits bei „KKR“, den ganzen Prozess kritisch begleiten und werden dies auch tun. Der durch den Mediationsprozess wieder angelaufene Dialog mit der Vereinsführung wird hierbei, sofern er ehrlich und auf Augenhöhe abgehalten wird, natürlich ein wichtiges Mittel dazu sein. Abzuwarten bleibt, ob es sich mal wieder um Lippenbekenntnisse der Vereinsführung handelt, oder ob in gewissen Bereichen wirklich ein Umdenken auf der Geschäftsstelle stattgefunden hat!?
Freundschaften
Die Freundschaft zu den Ultras des Karlsruher SC überträgt sich mittlerweile nahezu von selbst auf die jüngeren Generationen bei Hertha. Wo immer es geht, gibt es Besuche von einer kleineren oder größeren Anzahl an Herthanern aller Couleur. Dass das Interesse vieler junger Herthaner an dieser historischen Freundschaft so groß ist, erfüllt uns mit Stolz und ist der beste Beweis für die Innigkeit dieser Verbindung. Und auch in der aktuellen Sommerpause gab es wieder Gelegenheiten zum Besuch in Karlsruhe, denn es stand das 20-jährige Jubiläum der „Phönix Sons“ an und nur zwei Wochen später lud der KSC zum Blitzturnier mit Hertha BSC und Sturm Graz ein.
Auch bei einzelnen Spielen des Racing Club aus Strasbourg waren Mitglieder unserer Gruppe oder aus unserem Umfeld anwesend, denn auch nach dem offiziellen Ende der Gruppenfreundschaft von „Harlekins Berlin“ und „Ultra Boys Strasbourg“ existieren weiterhin einzelne Kontakte. Während unsere Verbindungen nach Strasbourg in den letzten Jahren eher weniger geworden sind, entwickelten sich bei anderen Gruppen der Ostkurve tiefere Freundschaften ins Elsass, so dass auch immer wieder jüngere Franzosen in Berlin zu Besuch sind oder umgekehrt jüngere Herthaner nach Strasbourg reisen.
Zugenommen haben in den letzten Jahren die Besuche von Genoa Ultras in Berlin, genauso wie von Herthanern in Genua, wobei in dieser Saison zum ersten Mal auch zwei Abordnungen aus Italien bei Auswärtsspielen unserer Hertha vor Ort waren und im Gegenzug eine Gruppe von Hertha Ultras zum entscheidenden Ligaspiel von Genoa nach Florenz mitfuhr. Die Kontakte bestehen seit ein paar Jahren zur Hauptgruppe „Via Armenia 5r“, wobei der Auftakt bei einem Testspiel im Jahr 2015 in Berlin gemacht wurde. Zuvor gab es bereits Kontakt zu einem alten Mitglied der „Brigata Speloncia“, welches seit einigen Jahren in Berlin lebt. Zwar handelt es sich auch hier um keine offizielle Freundschaft unserer Gruppe, doch der Personenkreis bei den Besuchen wird tendenziell größer und das gegenseitige Interesse wächst.