Nach zwei Abstiegen in den letzten drei Jahren stand die Saison 2013/2014 für alle Herthaner unter dem Motto „Klassenerhalt“. Mit aller Gewalt sollte die 1. Bundesliga gehalten werden und diesem Ziel wurde im Verein und in der Fanszene alles untergeordnet. Ein erneuter Abstieg hätte schlimme Folgen für unsere Hertha haben können!
Mitten im Sommer 2013 startete die Saison mit unserem Pokalspiel in Schleswig-Holstein beim VfR Neumünster. Einige Tage vor dem Spiel erreichte uns allerdings die schreckliche Nachricht vom Tod eines Mitglieds vom „Mighty Mob“. Zu Ehren von Philip gab es zum Auftakt an der Ostsee eine Schweigeminute im Gästeblock, sowie ein Gedenkspruchband von seiner Gruppe. Zentral hing über den Zaunfahnen das ganze Spiel lang eine Gedenkfahne für ihn. Philip hinterlässt neben dem freien Platz in der Ostkurve auch eine Frau und ein Kind. Ruhe in Frieden! Mit Beginn der zweiten Halbzeit wurden von der „Hauptstadtmafia“ dann hunderte Schals mit dem Aufdruck „Gegen Fanabzocke!“ verteilt, welche zusammen mit dem Spruchband „Alle wollen was vom Kuchen… Auf Kosten von uns Fans – DFB-Pokal-Abzocke stoppen“ gezeigt wurden. Hintergrund dieser Aktion waren die horrenden Eintrittskartenpreise für die Herthaner, die mit 18€ für einen Stehplatz und 55€ für einen Sitzplatz zur Kasse gebeten wurden. Das Spiel gestaltete sich dann typisch für eine Pokalbegegnung mit Hertha-Beteiligung und so mussten die rund 1.500 Herthaner bis zur vorletzten Minute der Verlängerung zittern, ehe der 2:3 Auswärtssieg bejubelt werden durfte.
Für reichlich Aufregung in Herthas Fanszene sorgte dann das erste Heimspiel gegen die wenig beliebte Eintracht aus Frankfurt. Bereits am Freitagabend war die erste große Gruppe Frankfurter Ultras in Berlin-Kreuzberg unterwegs, wo es in der Nacht noch Ärger gab. Dank Überzahl der Frankfurter und einem Flaschenhagel mussten die Herthaner kurze Zeit später den Rückzug antreten. An fast der gleichen Stelle sollte es in der folgenden Nacht nochmal zum Aufeinandertreffen kommen. Dieses Mal kam es auch zu einem Schlagabtausch, wobei Frankfurt in kürzester Zeit nochmal zahlreiche Verstärkung aus einer nahen Kneipe bekam. Das Ende der Geschichte waren wieder fliegende Flaschen von Frankfurter Ultras, wobei ein Wurfgeschoss das Gesicht eines Berliners traf und nur knapp ein Auge verfehlte. Ein mehrtägiger Krankenhausaufenthalt und eine Operation im Gesicht bleiben als Bilanz der Frankfurter Kampfkunst in Erinnerung. Wesentlich positiver im Gedächtnis bleibt das Spiel am Samstagnachmittag, denn Hertha konnte den Europapokalteilnehmer aus Hessen überraschenderweise mit 6:1 aus dem Stadion fegen, was natürlich für prächtige Stimmung in der Ostkurve sorgte. Ein fantastischer Auftritt unserer Mannschaft, der Mut für die bevorstehenden Aufgaben machte.
Den zweiten Heimsieg gab es dann auch gleich im zweiten Heimspiel gegen den Hamburger SV. Die ursprünglich geplante Zettel-Choreo gegen Frankfurt, welchen aus Respekt vor dem verstorbenen Philip abgesagt wurde, sollte nun zu diesem Spiel durchgezogen werden. Das Motto der Aktion lautete „Erstklassig seit 1892!“, was auch auf dem dazugehörigen Spruchband im Oberring präsentiert wurde. Im Nachhinein die perfekte Aussage, ganz besonders in Anspielung auf die Feierlichkeiten zum Bundesligajubiläum der Gäste, welche an diesem Tag 50 Jahre Bundesligazugehörigkeit feierten und das Ganze auch mit einer Choreographie im Gästeblock untermalten. Ein klarer Sieg für Hertha, auf dem Rasen und auch auf den Rängen, egal ob nun in Optik oder Akustik. Das war es dann allerdings auch schon fast an aufregenden Heimspielen in der Hinrunde. Bis zur Winterpause hießen die Gäste in Berlin unter anderem Mainz, Leverkusen, Augsburg und Bremen. Im Vergleich zum Vorjahr wenig interessant, denn da ging es für uns noch gegen Vereine wie Dynamo Dresden, 1. FC Union oder FC Sankt Pauli. Die Besetzung der ersten Bundesliga ist aus Berliner Sicht, zu mindestens in Bezug auf die jeweiligen Fanszenen, leider kein Leckerbissen und wird sich in Zukunft mit Ausblick auf die finanzstarken Investoren bei diversen Dorf- und Kunstvereinen sicherlich nicht verbessern.
In Erinnerung bleiben lediglich noch die beiden Heimauftritte gegen Stuttgart und Mönchengladbach. Das Heimspiel gegen die Schwaben fand trotz knapp 700 Kilometern Entfernung an einem Freitagabend statt. Auf den Rängen gab es dabei ein gutes Gesangsduell, wobei allerdings beide Szenen noch Luft nach oben hatten. Für Spannung war bis zum Ende gesorgt, denn überraschenderweise hatte Hertha auch dieses Heimspiel im Griff, verlor aber unverdient mit 0:1. Nach dem Spiel machte sich noch einer größerer Haufen Hertha-Ultras auf die Suche nach den Gästen, allerdings wurden diese anscheinend über Umwege aus der Stadt gebracht, denn kein einziger Bus aus Stuttgart wurde gesichtet. Der nächste Heimsieg wurde dann vor über 60.000 Zuschauern gegen die Borussia aus Mönchengladbach gefeiert, wobei die Gäste von etwa 8.000 Schlachtenbummlern unterstützt wurden. Unter ihnen war auch eine stattliche Anzahl Unioner, was vorher für viele Gerüchte über deren geplante Anreise in den Westen der Stadt sorgte. Letztendlich konnten auf unseren Wegen zum Olympiastadion aber keine Ultras von Union oder Mönchengladbach entdeckt werden. Ansonsten bleibt hängen, dass die Stimmung in den Anfangsminuten noch relativ dürftig war, sich zum Ende hin aber immer weiter steigern konnte. Die Gäste konnten eigentlich nur mit ihrer ansehnlichen Choreo in der 19. Spielminute überzeugen, worauf hin es ein Konterspruchband der „Hauptstadtmafia“ gab: „Liebe mit Distanz – BMG lutscht Unions Schwanz!“ Zu Beginn der Partie gab es bei uns in der Ostkurve die „In Gedenken an Carsten Grab“-Fahne mit der obligatorischen Schweigeminute für unseren verstorbenen Fanbeauftragten.
Einen ganz anderen Spieltag erlebten wir beim Heimspiel gegen Gelsenkirchen. Fast 70.000 Zuschauer sorgten für eine ordentliche Kulisse im Stadion, doch unserer Hertha gelang an diesem Tag einfach nichts. Die Gäste spielten die Sache locker und konzentriert runter und konnten mit einem ungefährdeten 0:2 Sieg die Punkte mitnehmen. Der Support von der Ostkurve war an diesem Samstag unter unserem Anspruch und konnte auch mit Berücksichtigung der Niederlage nicht überzeugen. Einzige Aufmunterung an diesem Nachmittag blieb das Spruchband im Oberrang des Gästeblocks: „Schalke ist, wenn der Furz wat wiegt! FGB’08“. Dieses wurde von der „Fringe Group Berlin“ in den Oberrang geschmuggelt und dort während des Spiels von den ahnungslosen Gästefans entrollt.
In der Nachbetrachtung waren die Auswärtsspiele der Hinrunde da schon etwas interessanter. Gleich zu Beginn der Saison ging es für uns nach Nürnberg, leider fand das Spiel an einem Sonntag statt, was mit Sicherheit den einen oder anderen Herthaner im Gästeblock gekostet haben dürfte. Auch trotz des Rückstands in der ersten Halbzeit gab es einen passablen Support von uns und als knapp zehn Minuten vor Abpfiff ein Elfmeter zur Führung verwandelt wurde, und Hertha somit wieder Tabellenführer der Bundesliga war, gab es fast kein Halten mehr. Mit dem Ende der Partie konnte Nürnberg jedoch ausgleichen und viele Herthaner landeten wieder auf dem Boden der Tatsachen. An diesem Sonntagnachmittag wurden zwei Spruchbänder der Hertha-Szene gezeigt. Als erstes gab es ein gemeinsames Spruchband von „Harlekins Berlin“ und „Phönix Sons“ für einen frisch operierten Bruder, später präsentierte die „Gruppa Süd Berlin“ dann den Spruch „Freedom for section 111 – until the last rebel“. Von den Jungs gibt es ein paar private Kontakte zur „Green Brigade“ des Celtic FC, deshalb wollte man seine Solidarität für die mit Repressionen überhäuften Schotten äußern. Das zweite Auswärtsspiel führte uns dann nach Wolfsburg, was genau auf den fünfzehnten Jahrestag unserer Gruppe fiel. Als kleines Geschenk gab es von „DSB“ das Spruchband „Wenn nicht ihr, wer sonst! Allet Jute zum 15-Jährigen HB’98!“ im Oberrang. Schon weit vor Anpfiff sorgten rund 4.000 Herthaner für Heimspielatmosphäre und gleichzeitig konnte noch ein neues Lied etabliert werden, welches auch noch dreißig Minuten nach Abpfiff des verlorenen Spiels vom harten Kern zelebriert wurde.
Der erste Aufreger der Spielzeit folgte dann fast erwartungsgemäß an einem Mittwochabend, beim DFB-Pokalspiel der zweiten Runde in Kaiserslautern. Nach einer desolaten Leistung der Mannschaft und dem erneuten, frühzeitigen Aus im Pokal durften sich die Spieler am Zaun einige ernste Worte anhören. Im Nachgang gab es Diskussion über die Art und die Heftigkeit der Kritik, im Rückblick bleibt diese herbe Niederlage aber der einzige, wirklich große Rückschlag der Saison. Trotzdem ist und bleibt die Sehnsucht nach einem Erfolg, besonders dann wenn man das Finale in der eigenen Heimat spielt, riesig. Seit 1993 wartet Hertha (Partie: Bayer Leverkusen – Hertha BSC Amateure) nun schon auf eine Teilnahme am DFB-Pokalfinale im eigenen Stadion. Der letzte Titel – die Deutsche Meisterschaft – stammt übrigens aus der Saison 1930/1931…
Nach der Pokal-Niederlage in Kaiserslautern folgte ein ungefährdeter Heimsieg gegen Mainz, ehe es an einem Freitagabend per Sonderzug nach Hannover ging. Unter Flutlicht gab es seit längerer Zeit mal wieder eine aufwendige Auswärtschoreo, wobei ein Stoffrahmen und Glitzerzettel einen Spiegel im Gästeblock bildeten. Nach einigen Minuten ging dann eine Blockfahne mit der Hertha-Dame im Spiegel hoch und das Spruchband „Die Schönste im ganzen Land“ wurde entrollt. Passend zur schönen Choreo gab es das komplette Spiel über einen sehr guten Support der etwa 3.500 Herthaner, der nach Ronnys Freistoßhammer kurz vor Ultimo nochmal richtig explodierte. Am 10. Spieltag ging es dann als Tabellenvierter nach München zum FC Bayern. Normalerweise eine eher unbeliebte Fahrt in unserer Fanszene, doch an diesem Tag sollte jeder einzelne Herthaner im Stadion belohnt werden. Um die ganzen Schikane der bayrischen Bullen zu umgehen, ging es für die Ultragruppen mal wieder per 9er nach München. Dort traf man recht zeitig ein und gönnte sich noch ne Mahlzeit und nen Bierchen in der Innenstadt. Was dann im Stadion geschah bleibt bis heute unbeschreiblich, denn nach nur vier Minuten köpfte Ramos das überraschende 0:1. Die Bayern wirkten wie geschockt und Hertha spielte frei auf. Am Ende reichte es leider nicht ganz und wir mussten uns 3:2 geschlagen geben, doch in unseren Erinnerungen bleiben zwei emotionale Stunden unterm Dach der Arena und ein engagierter und kämpferischer Auftritt der Hertha auf dem Rasen. Stolz und mit breiter Brust ging es auf den Heimweg nach Berlin.
Die letzten beiden Highlights des Jahres 2013 standen mit den Spielen in Braunschweig und Dortmund an. Nach Niedersachsen ging es in diesem Jahr für den Großteil der Ultras per Bus, denn das Spiel wurde auf einen Sonntagabend terminiert. Nur die „Hauptstadtmafia“ und ein Teil aus dem Umfeld reiste per Regio an. Zum Einlaufen der beiden Mannschaften erleuchtet die Gästekurve dann im Schein einiger Bengalos. Als kleiner Seitenhieb gegen das Presse-Rumpelstilzchen der Polizeigewerkschaft war der Spruch „Wir sind nicht auf dem Kinderspielplatz, sondern im Fußballstadion!“, direkt nach der Pyroaktion, von „DSB“ gedacht. Das Duell der beiden Bundesligaaufsteiger endete klar mit 0:2 für Hertha, was auch nach den Toren wieder mit einigen Bengalos und Blinkern im ausverkauften Gästeblock gefeiert wurde. Am Ende steht ein Doppelsieg für die Blau-Weißen: Für die Mannschaft auf dem Spielfeld, für uns Fans im Stadion.
Den größten Moment seiner jungen Fußballkarriere durfte ein ganz besonderer Herthaner dann drei Tage vor Weihnachten erleben. Vor über 80.000 Fußballfans feierte der 18-jährige Hertha-Torwart Marius Gersbeck sein Profidebüt im Dortmunder Westfalenstadion. Somit ist er einer der wenigen Fußballer, der den Sprung von der Fankurve in den Profikader geschafft hat, denn wenn er nicht gerade für Hertha im Tor steht, unterstützt er unseren Verein bei Heimspielen in der Ostkurve und ist auch auswärts mit dabei. Ramos und Allagui schossen die beiden Siegtore und Gersbeck hielt, bis auf einen kleinen Patzer zu Beginn, was zu halten war. Wenige Minuten vor Abpfiff schwappte die Ekstase im Gästeblock dann über und der untere Teil des Gästemobs schob die Ordner bei Seite um die Tanzfläche zwischen Block und Zaun zu betreten. Dort wurde dann zusammen mit Marius der unvergessliche Sieg gefeiert, ehe es für den Großteil per Bus auf den Heimweg ging. Rund 100 Herthaner inkl. der „Hauptstadtmafia“ wählten an diesem Tag den Regio als Verkehrsmittel. Dabei gab es auf dem Hinweg zwei kurze, nonverbale Meinungsverschiedenheiten mit Magdeburgern und Chemnitzern. Bei beide Diskussionen konnte Hertha am Ende aber besser überzeugen. Auf dem Rückweg blieb es dann ruhig. Mit Tabellenplatz sechs ging es in die Winterpause und der ein oder andere Optimist in Berlin träumte schon wieder von fernen Reisen im UEFA-Pokal.
Das erste Spiel im neuen Jahr führte uns dann gleich nach Frankfurt. Eigentlich sollten die Busse der Ultragruppen sich in einem Vorort, mit den per Zug anreisenden Karlsruher Ultras treffen, doch ein Doppeldecker stand etwa drei Stunden vor Anpfiff plötzlich fast direkt vorm Eingang zur Frankfurter Heimkurve. Nach einigen Augenblicken merkten auch die letzten verdutzen Frankfurter was hier los war und stürmten Richtung Bus. Der Busfahrer wendete mit hektischen Fahrmanövern das Vehikel und düste davon. Als dann auch dieser Bus am Treffpunkt war ging es zusammen mit Karlsruhe per Regio zum Waldstadion. Dafür legte der Zug sogar einen Sonderhalt am Stadionbahnhof ein, denn hier war bereits alles weiträumig für uns abgesperrt. Doch die Situation war weiterhin sehr angespannt und entlud sich endgültig am Eingang zum Block gegen die Ordner und die aggressiven BFE-Bullen, was im Nachhinein auch zu einem Stadionverbot in unseren Reihen führte. Die Atmosphäre im Waldstadion blieb dann allerdings weit hinter den Erwartungen zurück. Die Heimkurve konnte nicht überzeugen, aber auch unser Support war an diesem Tag alles andere als zufriedenstellend. Ein Scheißtag, denn am Ende ging es auch noch mit null Punkten wieder in Richtung Berlin.
Die ersten Gästefans im neuen Jahr waren dann die Nürnberger, bisher ein Gegner der in Berlin in Hinblick auf den Support immer gut mithalten konnte. Auch in diesem Jahr gab es ein ordentliches Duell auf den Rängen, wobei es zum Ende hin im ganzen Stadion nochmal richtig hitzig wurde. Kuriose Fehlentscheidungen gegen Hertha rundeten die Heimniederlage ab und im Stadion kamen schon wieder Erinnerungen an das Spiel gegen Nürnberg aus dem Jahr 2010 hoch. Wir Herthaner und Nürnbergs Keeper Schäfer werden in diesem Leben mit Sicherheit keine Freunde mehr…Mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert wurde der Schiri nach dem verpfiffenen Spiel in die Kabine geschickt und per lautstarken Forderungen am Brandenburger Tor aufgehangen.
Der erste Erfolg der Rückrunde stand dann bei Auswärtsspiel gegen den HSV an. Schätzungsweise 4.500 Herthaner hatten stimmungstechnisch kein Problem gegen die vom Abstieg bedrohten Hamburger und sorgten phasenweise für Gänsehautatmosphäre auf allen drei Ebenen des Gästeblocks. Begünstigt wurde die famose Stimmung durch die schnellen Herthatore und eine 0:3 Auswärtsführung zum Pausentee. Gekrönt wurde der Tag noch von einer kleinen Choreo zu Spielbeginn, wobei Verkaufstüten aus den Hertha-Fanshops zu Folienzetteln umfunktioniert wurden.
Das Heimspiel gegen Wolfsburg wäre an dieser Stelle eigentlich nur eine kleine Randnotiz, doch für große Aufregung sorgte einige Wochen vor dem Spiel die Berliner Polizei in Form des „LKA712“ (ehemalige „Ermittlungsgruppe Hooligan“, Abkürzung: EGH). Für einige Leute aus den Ultragruppen und aus dem Umfeld wurden für das Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg Aufenthaltsverbote für eine Zone rund um das Olympiastadion ausgesprochen. Das Stadion selbst war in diesem Bereich natürlich inbegriffen, was im Endeffekt also bedeutete, dass alle Betroffenen an diesem Tag nicht ins Stadion durften. Die Krönung der Geschichte ist allerdings, dass unter den betroffenen Personen auch Leute ohne Stadionverbot waren. Herthaner mit Dauerkarte und ohne Stadionverbot wurden von einem Heimspiel gegen Wolfsburg ausgesperrt! Das Spiel ging übrigens 1:2 verloren, an der Heimkurve kann es an diesem Tag allerdings nicht gelegen haben.
Der Rest der Rückrunde ist schnell erzählt und kann eigentlich mit ein paar wenigen Sätzen abgearbeitet werden. Nach einer fantastischen Hinrunde schien sich die Mannschaft schon viel zu sicher zu sein und baute in der Rückrunde mächtig ab. Nach einem knappen 1:2 Auswärtssieg in Stuttgart am 22. Spieltag folgten neun Partien ohne Sieg. Mit dabei war auch das Heimspiel gegen den FC Bayern, bei dem die Ostkurve und weite Teile des Herthaanhangs für eine atemberaubende Stimmung sorgten. Trotz einer 1:3 Niederlage sang sich die Kurve in einen Rausch und selbst die Berliner Medien lobten am nächsten Tag die „meisterliche“ Stimmung des Heimpublikums. Trotzdem, unsere Konkurrenz im unteren Teil der Tabelle holte weiterhin Punkt für Punkt auf und gegen Ende der Saison drohte nochmal der fast schon vergessene Abstiegskampf. Die entscheidende Partie stand dann am 32. Spieltag an, Hertha empfing im heimischen Olympiastadion den Tabellenletzten aus Braunschweig. Nach langen Planungen und vielen Überlegungen probierten wir in Zusammenarbeit mit den anderen Ultragruppen und dem Förderkreis Ostkurve einen weiteren Schritt im Bereich Choreographien aus. Zum ersten Mal gab es von uns eine zweiteilige Aktion im gesamten Bereich der Ostkurve. Dabei wurde jeder der 7.200 Plätze in der Kurve mit einer Fahne bestückt. Das erste Motiv bestand nur aus diesen Fahnen und bildete in perfekter Darstellung ein blau-weißes Balkenmuster. Im gleichen Stil gab es dazu das Spruchband „Berliner Sorgenkind – Geboren am 25. Juli“. Dieser Spruch ist eine Anspielung auf das alte Herthalied „Wir sind so wie wir sind“, in dem über Hertha als Berliner Sorgenkind gesungen wird.
Zum zweiten Teil blieb rund die Hälfte der Fahnen oben und aus diesem Fahnenmeer heraus wurden per Glitzerzetteln, inklusive Umrandung, die Jahreszahl „1892“ und das alte Hertha-Wappen mit dem „H“ hochgehalten. Insgesamt wurde die Aktion etwa fünf Minuten gehalten und ergab ein nahezu perfektes Bild. Auch der Support kam an diesem Tag wieder etwas besser in Fahrt als noch in den letzten Heimspielen, was natürlich auch am 2:0 Heimsieg für unsere Hertha lag.
In Bremen verpasste ein Großteil der Leute aus der Fanszene die erste Halbzeit, der Grund waren mehrere Verhaftungen vor dem Spiel. Erst zur zweiten Halbzeit ging es für einen Teil der ca. 350 Wartenden in den völlig überfüllten Block. Zu sehen gab es für die Herthaner aber nur wenig Erfreuliches, Hertha verlor an der Weser mit 2:0. Aufgrund der Inhaftierten verzögerte sich unsere Rückreise um einige Stunden. In Schwerin gab es dann einen Angriff von Rostockern, diese erwischten aber „nur“ eine Zugbesatzung normaler Herthafans. Unsere Reisegruppe wartete in Bremen auch noch auf die letzten Jungs vom Polizeirevier und musste dann den letzten Zug in Richtung Hannover nutzen. Weiter ging es ohne weitere Vorkommnisse über Wolfsburg und Magdeburg nach Berlin.
Der Nichtabstieg war auch dank der nun wieder schwächelnden Konkurrenz in Sack und Tüten und zum letzten Heimspiel gab sich Borussia Dortmund die Ehre in unserem Stadion. Für beide Mannschaften ging es sportlich um nichts mehr, trotzdem wurde dem letzten Spiel der Saison ein würdiger Rahmen verliehen. Für diese Partie stand die dritte, große Heimspielchoreo an und wieder war es eine Aktion mit Zetteln. Auf einen glitzernden Untergrund wurde eine Berlin- und eine Hertha-Fahne in die Ostkurve gezaubert. Auch diese Choreo war trotz teilweise chaotischer Momente in der Vorbereitung ein voller Erfolg und verdeutlichte nochmal welches Potenzial im Bereich Choreos in dieser Kurve schlummert. Die Stimmung gestaltete sich da schon etwas schwieriger. Insgesamt steht die Leistung an diesem Tag sinnbildlich für die ganze Saison. Sobald Hertha mal etwas mehr Druck machte und sich die ein oder andere Torchance erspielte war die Ostkurve sofort auf Betriebstemperatur, dazwischen gab es aber immer wieder schwache Phasen, die sich mit einigen Pogos oder geschlossenen Klatsch- und Hüpfaktionen abwechselten.
Im Rückblick zieht eine eher unspektakuläre Bundesligasaison am geistigen Auge vorbei. Es fehlten einfach die ganz großen Spiele und die wirklich großen Gegner. Hinzu kam eine gewisse Lethargie in der Fanszene, sowohl in den Ultragruppen als auch beim Förderkreis Ostkurve und im Umfeld. Wir als Gruppe feierten im vergangenen Jahr unser 15-jähriges Jubiläum, wir befinden uns momentan also in der Pubertät. Manchmal wissen wir nicht wohin uns der Weg führen wird, in anderen Momenten sind wir dann wieder voller Tatendrang und wollen Mauern einreißen und völlig neue Wege bestreiten. Der Altersdurchschnitt in unseren Reihen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, was vor allem daran lag, dass zahlenmäßig relativ wenig Nachwuchs gewonnen werden konnte. Viele jüngere Fans, die sich zu den Ultras hingezogen fühlen, suchen eher den einfacheren Weg und schließen sich oftmals einer der jüngeren Ultragruppen an oder gründen selbst eine kleine Gruppe in ihrem Umfeld. Teilweise wirkt die Ultraszene bei Hertha für Außenstehende sehr verschlossen, was ein Vor- und gleichzeitig auch ein Nachteil sein kann. Der unbedingte Wille und die Hartnäckigkeit aus früheren Zeiten sind heute aber bei deutlich weniger ultraorientierten Jugendlichen zu erkennen. Andere orientieren sich um und finden die Mentalität der Ultrabewegung zu starr und festgefahren. Sie wollen weniger Regeln, weniger Verantwortung und dafür mehr Freiheit. Auch diese Gründe hatten zur Folge, dass es in den letzten Jahren einige Austritte und Rausschmisse in den verschiedenen Gruppen der Herthaszene gab. Ein Teil dieser Jungs wird sich im Sommer wohl zu einer neuen Gruppe formieren.
Für uns werden die großen Aufgaben in der Zukunft immer klarer. Der langersehnte Generationenwechsel muss weiter vorangetrieben werden und die Verantwortlichkeiten und auch die Führungspositionen müssen auf ein breiteres Fundament gestellt werden. Ultra muss für die Jugendlichen bei Hertha wieder leichter zugänglich werden und wahrscheinlich müssen wir Älteren unsere über Jahre gewachsenen Ansprüche wieder etwas runter schrauben. An potenziellem Nachwuchs mangelt es eigentlich nicht, schließlich gab/gibt es allein im Jahr 2014 ein halbes Dutzend Neugeborene bei den „Harlekins Berlin“…
Ein besonderer Dank geht an unsere Brüder aus Karlsruhe, mit denen wir die letzten fünfzehn Jahren Gruppengeschichte gemeinsam durchlebt haben. Auch in dieser Saison gab es für uns wieder unvergessliche Momente, die unsere Verbundenheit nach Karlsruhe weiter gefestigt haben. Denn fünfzehn Jahre Harlekins Berlin bedeuten für uns auch gleichzeitig fünfzehn Jahre Hertha und der KSC!