Angriff auf die freie und selbstbestimmte Fankultur
Wie sicher viele über die Medien mitbekommen haben, fand vor kurzem ein sogenannter „Sicherheitsgipfel“ zum Thema Fangewalt in deutschen Stadien statt. Eingeladen waren alle Innen- und Sportminister der Länder, die Bundesinnenministerin Faeser sowie DFL und DFB. Fans oder Fanvertreter nicht. Fernab jeglicher Polemik soll das benannte Treffen hier beleuchtet und die Ergebnisse, Kritik unsererseits sowie mögliche Folgen besprochen werden, da diese einschneidend sein könnten und daher unserer gesamten Aufmerksamkeit bedürfen. Es handelt sich um nichts weniger als einen eindeutigen Angriff auf die freie und selbstbestimmte Fankultur, dessen Zielsetzung offensichtlich die langfristige Auflösung der aktiven Fanszenen ist. Diesem Angriff muss mit aller Entschiedenheit und Geschlossenheit aller relevanten Fanorganisationen sowie – Vereinigungen begegnet werden.
Bereits in den Tagen und Wochen vor dem Sicherheitsgipfel, welcher auf Einladung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am 18.10.2024 in München stattfand, wetterten er und andere gegen Fußballfans, erzählten in den Medien wilde Horrorgeschichten und stellten absurde populistische Forderungen auf – u. a. nach personalisierten Eintrittskarten, Schnellgerichten, Geisterspielen oder Spielabbrüchen – die alle Jahre wieder aus der Schublade geholt werden, obwohl klar ist, dass sie unnütz, unrechtmäßig und undurchführbar sind. Woher das Ganze kommt, ist schleierhaft. Anstehende Wahlen, für die man sich mit stumpfen Parolen und übertriebenen Maßnahmen mehr Stimmen erhofft sowie die aktuell grundsätzliche gesellschaftliche Stimmung hin zur Forderung nach repressiverer Sicherheitspolitik, in der man endlich auch mal wieder den Giftschrank gegen Fußballfans öffnen kann, erscheinen einigermaßen plausibel. Denn Fakten, Zahlen und sachliche Argumente finden offensichtlich keinerlei Beachtung.
Während sich der Dachverband der Fanhilfen in der Öffentlichkeit wehrte, Gegendarstellungen und einen öffentlichen Brief an die undesinnenministerin schrieb, blieb es dabei, dass man nicht einen Fan, Fanvertreter oder zumindest Sachverständigen, wie Fanforscher, Mitarbeiter von Fanprojekten, o. ä. mit in die Runde einlud. Schnell war also klar, dass kein Interesse an einer faktenbasierten Debatte und Maßnahmen interessiert war, sondern wie so häufig genau dann ein Dialog durch Politik sowie DFB und DFL ausgeschlagen wird, wenn es um tatsächliche Entscheidungen geht und nicht darum, in der Öffentlichkeit scheinheilig behaupten zu können, dass man ja im Austausch mit Fans sei.
Es kam, wie es kommen musste und die Ergebnisse des Sicherheitsgipfels waren entsprechend einseitig gefärbt, realitätsfern sowie von Unwissenheit gekennzeichnet. Die wichtigste und klarste Veränderung soll die Schaffung einer zentralen Stelle bei der DFL sein, die Stadionverbote bearbeitet und verhängt. Der DFB wurde aufgefordert, sich dem anzuschließen, damit dies auch für die 3. Liga und darunter gelten kann. Resultat wäre also, dass den Vereinen die Zuständigkeit für Stadionverbote entzogen würde, die neue zentrale Stadionverbotskommission extern und außerhalb der Verbandsstrukturen nach einer neuen Richtlinie arbeiten sowie sofort nach Einleitung eines Strafverfahrens ein Stadionverbot aussprechen solle.
Wie schon zuvor, wenn der DFB Stadionverbote ausspricht, kann davon ausgegangen werden, dass diese bei der neuen Kommission ebenso undifferenziert und mit der Gießkanne verteilt würden. Die Vereine würden ihres Einflusses beraubt, ihre lokalen Eindrücke nicht mehr mitberücksichtigt und wären neben den Fans diejenigen, die die neue Regelung ausbaden müssten. Eine zentrale Kommission wäre logischerweise viel zu weit weg, um Vorfälle individuell beurteilen zu können. Das Aussprechen eines Stadionverbotes vor Verurteilung in einem Strafverfahren ist und bleibt mit rechtsstaatlichen Grundsätzen überdies nicht vereinbar und würde bei Bildung der Kommission zu noch mehr fehlerhaften Hausverboten führen. Die im Rahmen dessen zusätzlich angekündigte vermehrte Weitergabe von persönlichen Daten durch die Polizei an die Vereine zur Identifizierung vermeintlicher Täter und Strafenweitergabe in Sippenhaft-Manier widerspricht zumindest in Teilen geltender Rechtsprechung und berücksichtigt in keiner Weise datenschutzrechtliche Regelungen. In einem weiteren Schritt wolle man die Vereine dazu zwingen mehr als ohnehin schon in Stadiontechnik, wie Kameras u. ä. zu investieren. Nach Stadionkameras, Helikoptern und Drohnen, die einst u. a. mit dem Argument eingeführt wurden, dass man dann ja keine Helis mehr brauche, soll noch mehr Überwachung kommen – viel hilft viel!
Ferner soll eine Arbeitsgruppe gebildet werden, welche den Austausch der Gipfelteilnehmer fortführe und wozu dann auch Fanvereinigungen hinzugezogen werden sollen. Wer sich da noch an einen runden Tisch setzen soll, wenn vorher nicht ein bisschen Fakten berücksichtigt wurden, bleibt rätselhaft. Wir werden es jedenfalls nicht tun und damit im Nachgang gar noch die vollkommen absurde Veranstaltung legitimieren. DFL und DFB haben nicht mit einem Wort die Maßnahmen auf der Pressekonferenz oder in der Öffentlichkeit kritisiert oder versucht, die Realität in den Stadien nachzuzeichnen, sondern geschwiegen, die Maßnahmen damit abgesegnet und sich dem Willen der Politik widerspruchslos gebeugt.
Die Fakten zeigen schließlich ein gänzlich anderes Bild: Die deutschen Stadien sind sicher. Jeden Spieltag pilgern hunderttausende Menschen jeglicher Couleur von klein bis groß alleine oder als Familie in Deutschland in die Fußballstadien, was zeigt, dass sie sich offensichtlich nicht bedroht fühlen. Dabei kann natürlich immer angeführt werden, dass jeder Verletzte zu viel ist, aber anhand von Verletzten im absoluten Promillebereich bei derartigen Großveranstaltungen mit so vielen zusammenkommenden Menschen von Gefahr durch Fangewalt o. Ä. zu sprechen, entbehrt schlichtweg jeglicher Grundlage und muss ganz klar als Falschbehauptung bzw. Unwahrheit eingeordnet werden. Auch wenn das Argument mittlerweile langweilt, bleibt dennoch zu wiederholen, dass jedes Fußballspiel sicherer ist als das Münchener Oktoberfest oder andere ähnliche Veranstaltungen.
Auch die zugrundeliegenden Zahlen müssen kritisch hinterfragt werden, da die Polizei, die sie erfasst, nun mal keine neutrale Instanz und in der Vergangenheit bereits mehrfach damit aufgefallen ist, entsprechende Statistiken verzerrt zu haben (Stichwort: durch eigenes Pfefferspray verletzte Polizeibeamte, als durch Fangewalt verletzte zu zählen). Zudem war es in der letzten Saison sehr häufig die Polizei selbst , die vollkommen überzogene Einsätze fuhr und Gewalt gegen Fußballfans einsetzte. Es sei hierbei nur an die Bilder vom in Pfefferspray gehüllten Auswärtsblock von Hannover 96 auf St. Pauli oder ein durch Polizisten verletztes kleines Mädchen in Braunschweig erinnert. Kein Wort gab es hierzu in München.
Wenn die Innenminister bei der Pressekonferenz davon sprachen, dass die Maßnahmen notwendig seien, damit weniger Polizisten eingesetzt werden müssten, kann nur mit dem Kopf geschüttelt werden. Schließlich fordern Fußballfans seit Jahren, dass weniger Polizei eingesetzt werden sollen. Bilder gelangweilter Beamter, die aufs Handy starrend im Auto sitzen, sind nur zu gut bekannt und Beispiele wie das Schießen mit einer Pistole auf einen Fanbus durch USK-Polizisten in Augsburg bei einer durch Langeweile zustande gekommenen Wasserschlacht verdeutlichen dies nur umso mehr.
Anstatt sich also über personalisierte Eintrittskarten, Teilausschlüsse oder mehr Überwachung zu unterhalten, die in keinem anderen Bereich der Gesellschaft akzeptabel wären, fordern wir ein Verbot von Pfefferspray, die Abschaffung illegaler Polizeidatenbanken, wie der Datei „Gewalttäter Sport“ und die Anerkennung der Realität, dass es nicht mehr Repression, sondern Abrüstung der Polizei bei Fußballspielen bedarf.
Sportliche Grüße,
Dachverband der Fanhilfen e.V. – im Oktober 2024