Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte nimmt mit Befremden die öffentliche Diskussion der letzten Tage rund um die am letzten Wochenende in vielen Fankurven zu sehenden Banner wahr. Die Debattenbeiträge zahlloser Funktionäre von Vereinen und des DFB gehen schlichtweg am Kern des Themas vorbei.
Wer ernsthaft auf die Verhaltensweisen und Ausdrucksformen der Fankurven einwirken möchte, müsste zunächst einmal zumindest bei der Analyse des Geschehens etwas Sachkenntnis beweisen. Auslöser der Proteste war, dass der DFB mit dem jüngst verkündeten Beschluss seines Sportgerichts, den bisher zur Bewährung ausgesetzten Ausschluss von Gästefans bei Spielen Hoffenheims gegen Dortmund nun in Kraft zu setzen, faktisch zum System der Kollektivstrafen zurückgekehrt ist.
Die Verhängung von Kollektivstrafen war seit jeher ein heiß umstrittenes und von allen Fanszenen vehement bekämpftes Thema. Die im Jahre 2017 erklärte Absicht des DFB, künftig auf das Instrument der Kollektivstrafen (Zuschauerausschlüsse) zu verzichten, war zu Recht als Zeichen der Entspannung wahrgenommen worden. Die damals von Hardlinern geäußerten Befürchtungen, es werde ohne Kollektivstrafen zu mehr und schlimmeren Gewaltexzessen oder Pyro-Aktionen kommen, haben sich nicht bewahrheitet. Auch dies zeigt: Kollektivstrafen waren und sind ein völlig untaugliches Mittel, um nachhaltig auf das Verhalten von Fankurven Einfluss zu nehmen.
Dass der DFB nun einseitig seinen Verzicht auf Kollektivstrafen aufgekündigt hat, führte erwartbar zu Solidarisierungsaktionen anderer Fanszenen. Dass dabei dann genau die Verhaltensweisen wiederholt werden, die eben im Falle von Dortmund zur Kollektivstrafe führten (nämlich das Zeigen bestimmter Banner gegen den Eigentümer der TSG Hoffenheim GmbH), kann niemanden überraschen, der sich mit Ausdrucksformen und Dynamiken von Fanszenen auskennt.
Statt auf diesen Kern der Proteste einzugehen, wird von zahllosen Funktionären in teilweise unerträglicher Weise ein Zusammenhang mit Rassismus konstruiert, der im Falle der Banner gegen Dietmar Hopp einfach unangebracht sowie sachlich unzutreffend ist. Natürlich wäre es äußerst begrüßenswert, wenn die Vereine und der DFB als Verband (nach jahrelanger weitgehender Untätigkeit) nunmehr ernsthaft und nachhaltig Rassismus bekämpfen wollen. Bisher haben sich insoweit aber ausgerechnet eher jene Fangruppen und -szenen ausgezeichnet, die jetzt unter dem Deckmantel des Ehrenschutzes für einen Klubeigentümer aus den Stadien vertrieben werden sollen. Der sog. 3-Stufen-Plan (Lautsprecherdurchsage, Spielunterbrechung, Spielabbruch) war von der UEFA bereits vor vielen Jahren erlassen und veröffentlicht worden, er soll die Schiedsrichter „im Umgang mit schwerwiegenden rassistischen Vorfällen im Stadion“ unterstützen. Es ist erstaunlich, dass diese Regelung in Deutschland noch nie zur Anwendung kam (weder in den Profiligen, noch in den unteren Amateurklassen), jetzt aber zugunsten Dietmar Hopps zu Spielabbrüchen führen soll.
Dabei machen die Maßnahmen auch nicht halt vor Äußerungen in den Fankurven, die -ohne auch nur annährend in die Nähe einer strafbaren Beleidigung zu rücken- in zugespitzter Form den Umgang des DFB mit der Causa Hopp kritisieren. So führte bspw. in der dritten Liga am Sonntag beim Spiel Meppen gegen den MSV Duisburg folgendes Banner aus der Duisburger Fankurve zu einer Spielunterbrechung: „Hat der Dietmar genug Kohle / wird zu seinem Schutz und Wohle / von Leuten, deren Wort nichts wert, / mal wieder jemand ausgesperrt“. Wer derartige -völlig beleidigungsfreie -Protestformen zum Anlass repressiver Maßnahmen nimmt, der bekämpft offenkundig weder Ehrverletzungen von Klubeigentümern noch gar Rassismus, sondern schlicht und einfach die Meinungsfreiheit.
Die AG Fananwälte spricht sich dafür aus, verbal abzurüsten und das Thema mit der gebotenen Sachlichkeit und rechtsstaatlichen Instrumenten anzugehen. Weder Kollektivstrafen noch das Anprangern ganzer Fußballszenen oder Fangruppen sind geeignete Mittel zur Lösung des Problems.
Arbeitsgemeinschaft Fananwälte am 2. März 2020