Spieltags im Profifußball (Liga 1-3), so werden 12 verschiedene Anstoßzeiten deutlich. Ein Wirrwarr, dessen Folgen etliche Nachteile für alle Fans, ob im Stadion, am Radio oder Fernsehgerät, bedeuten können. Daher hatten wir Harlekins Berlin`98 für das Spiel gegen Werder Bremen eine Aktion vorbereitet, um möglichst viele Fußballfans für dieses Thema zu sensibilisieren. An der Aktion beteiligte sich auch die Fanszene des SV Werder Bremen, wofür wir uns bedanken! Kurz zum praktischen Ablauf: In der Kurve erschien ein Spruchband: „Die Kehrseite des Pay-TV: Spieltagszerstückelung!“. Dazu waren auf kleineren Spruchbändern, alle erwähnten Anstoßzeiten des heutigen Spieltags in den ersten drei Ligen zu lesen. Passend unterhalb von diesen kleinen Spruchbändern gab es ein weiteres großes Spruchband: „Wer blickt da noch durch!?“. Als Kommentar dazu wurde die Aktion abgerundet mit einem Spruch, der gemeinsam mit den Wanderers Bremen präsentiert wurde: „Der Reiz eines Spieltags verliert sich im Wirrwarr einer Spielwoche!“. Zusätzlich zum Kurvenecho verteilten wir begleitend zur Aktion einen Flyer mit Hintergründen und Informationen zum Thema:
Wo ist bloß mein Spieltag hin?
Während sich die Anfangsphase der Saison 09/10 langsam aber sicher dem Ende neigt, werden Neuerungen und Veränderungen für viele Fans erst jetzt wirklich spürbar. Während man die Namen der Zu- und Abgänge der eigenen Mannschaft bald verinnerlicht haben dürfte, gibt es sowohl für den Stadiongänger als auch für den Fan vor dem Fernseher grundlegende Veränderungen zu beobachten, die für viele deutlich schwerer wiegen als der Verkauf des Lieblingsstürmers!
Wieder neue Anstoßzeiten
Bereits im November 2008 hat die DFL gemeinsam mit seinen TV-Rechte-Inhabern Premiere (jetzt Sky), ARD, ZDF, DSF und T-Mobile den neuen Rahmenspielplan für die höchsten drei deutschen Ligen bekanntgegeben. Für die erste Bundesliga erhöht sich damit die Zahl der Anstoßzeiten von drei auf fünf. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Spielzeiten am Freitag (20:30 Uhr), Samstag (15:30 Uhr) und Sonntag (17:30 Uhr), kommen ein Exklusiv-Spiel am Samstag-Abend (18:30 Uhr), sowie ein weiterer Sonntagstermin um 15:30 Uhr hinzu.
Auch in der zweithöchsten deutschen Spielklasse wurde der Spielplan weiter zerfetzt, so dass sich die Fans der 2. Liga neben den Freitagsspielen um 18:00 Uhr vor allem über zwei neue Spiele am Samstag Mittag um 13:00 Uhr „freuen“ dürfen. Beide Anstoßzeiten sind Termine, die einen Stadionbesuch mit unzähligen Unannehmlichkeiten, besonders für die betroffenen Auswärtsfans, verbinden. Um am Sonntag nicht mit dem neuen Sonntags-Spiel der ersten Liga zu kollidieren wurde der „Sonntags-Spieltag“ auf 13:30 Uhr vorverlegt. Auch das Lieblingsspielzeug des DSF, das Montagabend-Spiel, wurde in die neue Spielzeit gerettet.
Nicht vergessen werden darf die dritte Bundesliga, bei der es unnötigerweise drei Spieltage mit jeweils einer Anstoßzeit gibt. Die Spielen finden am Freitag um 19:00 Uhr, am Samstag um 14:00 Uhr und am Sonntag 14:00 Uhr statt.
Das Pay-TV als Urheber
Diese Entwicklung lässt nur einen Schluss zu: Das Bezahlfernsehen diktiert den Spielplan und ist Triebkraft für die ausufernde Zerstückelung dessen, was früher Spieltag genannt wurde. Das Kalkül ist dabei denkbar einfach: Je fragmentierter die Spielansetzungen, desto mehr Live-Spiele lassen sich exklusiv übertragen und desto höher sollen die Gewinne für den Premiere Nachfolger Sky ausfallen. Allein in der ersten Liga kann der Bezahlsender nun 5 Spiele, also insgesamt etwa 450 Minuten Live-Fußball anbieten. Und damit sind weder die Sendezeiten der zweiten Liga noch die Vor- und Nachbereitung der Spiele inbegriffen.
Dabei hat sich die DFL eindeutig auf Seiten des Bezahlfernsehens positioniert und nimmt in Anbetracht der horrenden Summen, die Sender wie Sky jährlich auf das Konto der DFL überweisen (allein für die Saison 2009/2010 wurden 225Mio € vereinbart), Einbußen beim Ticketverkauf und Catering als Folge mangelnder Zuschauerresonanz in Kauf, da der Stadionbesucher vielmehr aus Imagegründen denn aus finanzieller Perspektive wertvoll erscheint.
Nachteile für Fans in den Stadien
Was die Bundesliga-Vermarkter auch als attraktivitätsfördernde Maßnahme verstehen wollen, kommt bei vielen Fans im Stadion und an den Bildschirmen gänzlich anders an. Regelmäßige Stadiongänger haben vor allem in der zweiten Liga mit Unwegsamkeiten bei der Planung von Heim- und Auswärtsspielen zu kämpfen. Der Besuch von Freitags- und Montagsspielen lässt sich für die Anhänger der Gastmannschaft sowie für Exilanten des Heimvereins in der Regel nicht ohne Urlaubstag realisieren. Erschwerend kommt hinzu, dass Terminierungen zu kurzfristig erfolgen und seitens der DFL keinerlei Rücksicht auf die Entfernungen zwischen den jeweiligen Vereinen genommen wird. So wird vielen aktiven Fans der Besuch von Auswärtsspielen extrem erschwert und oft gänzlich unmöglich gemacht. In letzter Konsequenz hemmen die Verantwortlichen damit genau das, was sie im Fernsehen so gerne vermarkten: Volle Stadien, gute Stimmung und Emotionen.
Nachteile für Fans am Bildschirm
Von der Spieltagszerstückelung sind allerdings auch ganz andere Schichten betroffen: Viele Fußballbegeisterte, für die das gemeinsame „Erlebnis Spieltag“ in der Kneipe oder im Wohnzimmer zu einem festen sonnabendlichen Ritual geworden war, sehen sich nun mit einer Flut verschiedenster Ansetzungen konfrontiert, die es dem Freundeskreis oder dem Fachsimpler zwar ermöglichen, den Platz vor dem Fernseher von Freitag bis Sonntag nicht mehr verlassen zu müssen, doch verliert sich der Reiz des Besonderen in nicht enden wollenden Einzelpartien. Die Bundesligakonferenz am Samstag verliert ihre Bedeutung, da erst noch das Topspiel am Abend, sowie die Sonntagspartien abgewartet werden müssen, bis der Tabellenplatz des eigenen Teams feststeht. Zusätzlich hängt abends der Haussegen schief, weil sich Freunde und Familien vernachlässigt fühlen. Der einstige Spieltag wird zu einer quälend in die Länge gezogenen Kette aus Einzelereignissen, die ein Übersättigungsgefühl hervorrufen und den Charme von Radio-Konferenz und Live-Schalten vermissen lassen. Es braucht nicht viel Fantasie um zu erkennen, dass der momentane Spielplan nur eine Etappe sein wird auf dem Weg zu einem gänzlich verzerrten Spieltag.
Mit Blick auf die riesigen asiatischen Märkte scheint es bloß eine Frage der Zeit zu sein, bis es die ersten Bundesliga-Spiele am Vormittag und damit zur besten Sendezeit in Asien zu sehen geben wird. Das mag vielleicht zu höheren Einnahmen führen, an authentische Stadionatmosphäre ist um 11:00 Uhr oder 12:30 Uhr allerdings kaum zu denken. Die größte Gefahr geht allerdings von der Gewohnheit aus. Wenn wir es zulassen, dass wir uns an dieses neue Spieltags-Gebilde gewöhnen und es erst einmal als vorläufigen Endpunkt einer Entwicklung betrachten, sind wir in den Augen von DFL und Bezahlfernsehen bereit für die nächste Stufe.
Deshalb sollte jeder einzelne seine Fernseh-Abonnements gründlichst überdenken. Umso höher die Zahl der Bezahlfernseh-Abonnementen, umso höher ist der Einfluss der Pay-TV-Sender auf die Liga und den Verband und umso wahrscheinlicher ist das Scenario, dass der Spieltag völlig zerstückelt und die Anstosszeiten immer weiter entfremdet werden. Um weitere Spiele unter der Woche und einen Spielbeginn am Vormittag zu verhindern muss etwas bewegt und verändert werden. Folgende Konsequenzen und Forderungen sind ein Schritt zurück zum fanfreundlichen Spieltag, sowohl für den Stadionbesucher als auch für den Fan vor dem TV-Gerät:
- maximal zwei Spieltage pro Liga, mit jeweils einer Anstoßzeit pro Liga
- an Samstagen und Sonntagen kein Anpfiff vor 14:00 Uhr, um Überschneidungen mit dem Amateur- und Freizeitfußball zu vermeiden
- Aufwertung des Spieltags als ein zeitlich parallel stattfindendes Ereignis
- möglichst frühzeitige Terminierung der Spieltage
- keine Spielansetzungen an Freitagen oder an Terminen unter der Woche vor 19:00 Uhr
- Rückkehr zur 350km-Regelung (Vereine, die nicht am Samstag spielen dürfen nicht weiter als 350km voneinander entfernt sein)
Harlekins Berlin ´98 – im August 2009