ProFans: Skandalös ist, was man draus macht

ProFans erschrocken über Medienhysterie und populistische Forderungen hinsichtlich des Relegationsspiels Düsseldorf-Hertha BSC

Mit Erschrecken haben die in der Fanorganisation ProFans zusammengeschlossenen Gruppen die mediale Diskussion zu den Geschehnissen während des Relegationsspieles zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC zur Kenntnis genommen. Sich in Superlativen ergehend wurde selbst in sonst seriösen Medien beispielsweise von einem „Skandalspiel“ berichtet, von „Chaos“ gar und „Tumulten“.

Fakt ist: Während des Spiels kam es auf beiden Seiten zum Einsatz von Bengalischen Feuern, die leider vom Gästeblock aus auch auf das Spielfeld geworfen wurden. Dies ist zu kritisieren und klar zu verurteilen. Kurz vor Ende des Spiels kam es außerdem zu einem verfrühten Platzsturm durch Düsseldorfer Fans, die allerdings schnell wieder vom Grün verschwunden waren, nachdem sie hier zu aufgefordert und auf ihren Fehler hingewiesen worden waren. Hieraus wurde ein „Skandalspiel“ herbeigeschrieben, von dem wohl jeder, der es nicht selbst gesehen hat, glauben musste, es ginge um Leben und Tod. Ging es ja offenbar auch. Jedenfalls, wenn man Herrn Schickhardt, von Hertha BSC Glauben schenkt, der von „Todesängsten“ seiner Spieler sprach und davon, dass man ein „Blutbad“ verhindert habe, indem man wieder auf den Platz kam.

ProFans ist schockiert, dass nicht einmal ein Jahr nachdem es in Ägypten zu mehr als 70 toten Fans kam, weil unter anderem Sicherheitskräfte in die Menge schossen, derartige Vokabeln im Zusammenhang mit einem Platzsturm verwendet (und von den Medien dankend verbreitet) werden, der nicht etwa aus Aggression, sondern aus Freude über den erneuten Aufstieg in die erste Bundesliga erfolgte, in der Fortuna Düsseldorf geschlagene 15 Jahre vergebens in der Tabelle gesucht wurde.

Unsachlich und übertrieben sind die Forderungen nach härteren Sanktionen aufgrund der „neuen Welle der Gewalt“. Die Polizei Düsseldorf vermeldete in ihrem Spielbericht keinen einzigen Verletzten und keine größeren Vorkommnisse vor, während und nach dem Spiel. Wo ist also die Gewalt, wenn nicht einmal die Ordnungshüter davon zu berichten wissen? Diese sind schließlich einer Verharmlosung von sicherheitsbeeinträchtigenden Vorfällen beim Fußball alles andere als verdächtig.

Es gab in Düsseldorf kein Skandalspiel, sondern ein vom Spielverlauf sehr emotionales, dramatisches Duell um den Aufstieg, das von einem Verein gewonnen wurde, dessen Fans seit 15 Jahren keinen Bundesligafußball gesehen und ihre Rückkehr irrtümlich zu früh gefeiert haben. Mehr nicht.

In den Tagen nach dem Relegationsspiel waren die Vorkommnisse das Thema der Stunde. Das Aufgreifen der Medien ist verständlich, der größte Teil der Umsetzung allerdings scharf zu kritisieren. „Seit dem großen Medienaufschrei Rund um das Pokalsspiel Dortmund-Dresden im Herbst letzten Jahres, hatten wir gehofft mit dem Fankongress in Berlin und den Bemühungen um einen effektiven Dialog auf einem anderen Weg zu sein“ sagt Jakob Falk von ProFans. Doch solche Bemühungen werden torpediert, wenn sich außenstehende Prominente und populistische Scharfmacher in Fernsehshows mit ihren Kommentaren und unsachgemäßen Forderungen in Szene setzen. Abgesehen davon, dass die berichtenden Formate sich leider wenig professionell präsentierten, wurde inhaltlich wieder einmal alles vermischt, was es zu vermischen gibt. Die feiernden Fortunafans mit auf den Platz fliegenden Fackeln, mit dem gewalttätigen Angriff von Anhängern des Oberligisten BFC Dynamo auf Fans aus Kaiserslautern oder gar völlig zusammenhangslosen Bildern polnischer Fußballausschreitungen. Das ist enttäuschend, aber auch nicht wirklich neu. Wirklich schlimm ist es, wenn durch solche Einflussnahme eine eigentlich sachliche Debatte wieder verunsachlicht und zurückgeworfen wird. ProFans hat bewusst an keiner der vergangenen TV- Sendungen und keinem dieser Interviews teilgenommen. Wir fordern die Medien auf, im Sinne aller, die an einer lebendigen, von positiver Energie nur so strotzenden Fankultur interessiert sind, differenziert und weniger druckausübend zu berichten. Wenn es nachhaltige Erfolge geben soll, ist es nötig, dass alle wirklich Beteiligten – die Verbände, Vereine, Fanprojekte und Fans – in Ruhe ihre bereits begonnene Arbeit fortführen können. Der Ruf nach schnellen und harten Sanktionen behindert die bereits stattfindenden Bemühungen und sorgt mit seinem bedrohenden Charakter sogar für mehr Eskalationspotential als für eine von allen Seiten gewünschte Bewegung hin auf eine Lösung der bestehenden Probleme.

Hinsichtlich der utopisch erscheinenden Forderungen nach neuen restriktiven Maßnahmen, die von Nacktscannern, über riesige Blockvorhänge bis hin zu Fußfesseln reichen, mahnt ProFans die Verantwortlichen, endlich nach Alternativen zu diesem System zu suchen. „Das über Jahre immer stärkere Anziehen der Repressionsschraube hat nachweislich nicht zu den erhofften Erfolgen geführt“ so Philipp Markhardt, Pressesprecher von ProFans.

Es ist an der Zeit über Möglichkeiten nachzudenken, wie den Fanszenen mehr Freiraum zum Ausleben ihrer Fankultur geschaffen werden kann. Nur so ist es denkbar, dass Fans mehr dazu bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Durch Materialverbote, zahllose repressive Einschränkungen und nun sogar angedachte utopische unmenschliche Maßnahmen wird den Fans immer mehr die Möglichkeit genommen selbst Verantwortung zu übernehmen. Ist es also verwunderlich, dass Fans unter diesen Voraussetzungen teilweise auch immer wieder bewusst unverantwortlich – in den Augen der Verantwortlichen – handeln?

„Pro Fans“ am 31.05.2012